Ein verschenktes Meisterwerk aus Sankt Cäcilia

Beitrag für den Pfarrbrief des Seelsorgebereichs Zwischen Rhein und Ennert mit dem Thema "Zeit des Schenkens", Advent 2019

"Thronende Maria mit dem Kind", Nussbaum gefasst (Reste alter Farben und Vergoldung), 112 x 55 x 36 cm. Hamburg, Kunsthalle, Nr. 1936/4

Wer die Sakristei der Pfarrkirche Sankt Cäcilia in Bonn-Oberkassel besucht, dessen Blick fällt auf die Fotografie einer hoheitsvoll thronende Maria mit dem Kind. Diese Skulptur entstand um 1330 als Werk eines Meisters in Köln und war die Kostbarkeit der teilweise 1865 abgebrochenen Oberkasseler Kirche aus romanischer Zeit. Nach einer Schrift von Elmar Wiegelmann (1986-1979 Pfarrer in Oberkassel) schenkte der zuständige Pfarrer - wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Kirchenabbruch - die erlesene Skulptur seinem Küster. Bei der Versteigerung des Küster-Nachlasses zu Anfang des 20. Jahrhunderts erwarb der örtliche Schlossermeister Schmitz die Figur. Ein Bonner Kunsthändler vermittelte sie 1925 an den Kölner Regierungspräsidenten Sigmund Maria Graf Adelmann von Adelmannsfelden, der sie für 5.000 Reichsmark erstand. Bei der Versteigerung der Madonna nach Graf Adelmanns Tod 1926 erfolgte der Zuschlag für 57.000 Reichsmark an einen Berliner Antiquitätenhändler; der vom Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer gewünschte Ankauf für die Stadt Köln kam nicht zustande. 1934/35 hoffte ein Kunstliebhaber in Nordamerika, das nunmehr auf 100.000 Reichsmark geschätzte Meisterwerk sein Eigen nennen zu können. Doch der Staat verbot die Ausfuhr der Skulptur als nationales Kulturgut. 1936 ging sie in den Besitz der Hamburger Kunsthalle über. Das Bildwerk zählt zu den herausragenden Kölner Madonnen des Mittelalters und kann in der Hamburger Kunsthalle, "im kühlen Norden, von der Anmut und dem Selbstbewusstsein eines kölschen Mädchens zeugen" (Reiner Dieckhoff).

Im leichten S-Schwung der Skulpturen ihrer Zeit thront die Gottesmutter auf einer mit Maßwerk aus aufgetragenem Gold verzierten Bank. Das Kleid Mariens und ihr Übergewand in kunstvoll geführtem Faltenfluss bewahren eine Fülle an ursprünglicher Vergoldung. Auch die Haare von Mutter und Kind sind vergoldet. Das Antlitz Mariens begeistert dank der weitgehend geschlossen überkommenen Farbfassung des Inkarnats durch seine Lebendigkeit, wie sie nicht mehr oft bei gleichzeitigen Skulpturen anzutreffen ist. Gleiches gilt für das Antlitz des Kindes. Maria hält in der Rechten eine Traube. Das Kind, stehend auf dem Schoß seiner Mutter, zieht die Flügel eines Vogels auseinander: Nach dem apokryphen Kindheitsevangelium des Thomas formte der fünfjährige Jesus Vögel aus Lehm und erweckte sie zum Leben.

Wilfried Hansmann

Literatur:
Peter Bloch, Kölner Madonnen. Die Muttergottes in der Kölner Bildnerei des Mittelalters. Mönchengladbach 1961, S. 15. - Elmar Wiegelmann, Die Pfarrkirche St. Cäcilia Bonn-Oberkassel nach ihrer Renovierung im Jahre 1970 (Faltblatt). Bonn 1970. - Georg Syamken (Bearb.), Die Dritte Dimension. Plastiken - Konstruktionen - Objekte. Bestandskatalog der Skulpturenabteilung der Hamburger Kunsthalle. Hamburg 1988. S. 301. - Reiner Dieckhoff, Kölner Madonnen. Bildwerke aus dem Mittelalter, Köln 2009, S. 58.

Bildnachweis:
Creative Commons, Urheber ArishG, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kölner_Meister_-_Thronende_Maria_mit_Kind_-_Hamburger_Kunsthalle.jpg (Stand 2019); keine Veränderungen