Kasteel Groot Buggenum - das wiedergewonnene Paradies

Helmut Hentrich und Roland Weber im Gespräch mit Wilfried Hansmann

Vorbemerkung

Kasteel Groot Buggenum bei dem Dorf Grathem nahe der Maas in der niederländischen Provinz Limburg war das Altersrefugium des Düsseldorfer Architekten und Kunstsammlers Prof. Dr.-Ing. Helmut Hentrich (1905 - 2001). Fasziniert von der Maaslandschaft, die ihn an seine niederrheinische Heimat erinnerte, erwarb Hentrich 1971 das völlig heruntergekommene Anwesen und ließ es bis 1974 nach seinen persönlichen Wünschen neu erstehen.

Von der ursprünglichen Anlage des wasserumwehrten Adelssitzes, dessen Geschichte sich bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, blieben nur Teile des Kellers und der Umfassungsmauern aus dem späten Mittelalter erhalten. Ende des 19. Jahrhunderts riss man das alte Schloss ab und ersetzte es durch eine Villa im Stil der Maasrenaissance. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde sie wieder aufgebaut, doch in den Sechzigerjahren aufgegeben; sie verfiel. So konnte Hentrich auf den alten Substruktionen und unter Verwendung älterer Substanz einen Neubau mit allen Stileigentümlichkeiten der limburgischen Adelsarchitektur errichten. Hierbei wurden Treppen, Türen, Wandvertäfelungen, Portale, Gittertore, Fußböden und anderes aus abgebrochenen Baudenkmälern wiederverwendet.

Bei der Beschaffung von Mobiliar und anderer Einrichtungsgegenstände kam es Hentrich nicht auf eine bestimmte Epoche oder ein bestimmtes Ursprungsland an. Gefordert war die Sensibilität des Architekten, historisches Kunstgut und Stücke aus der Gegenwart zu einem neuen vielfältigen Ensemble zusammenzustellen, in dem alles miteinander harmoniert. Dazu gehört eine erlesene Sammlung von Porzellanen, Fayencen, Gemälden, Grafiken, Erinnerungsstücken von Reisen in ferne Länder. Der Zauber der Atmosphäre im Haus setzt sich draußen in den Gärten fort. Sie sind das Werk des Düsseldorfer Landschaftsarchitekten Roland Weber (1909 - 1997). Der Bauherr wünschte Vielfalt und Formenreichtum. Weber entwarf eine Folge architektonischer Gärten - Vasengarten, Staudengarten, Wassergarten, Kräutergarten, Rosengarten - mit abwechslungsreichsten Details.

Jeder der Einzelgärten um Kasteel Groot Buggenum ist eine Welt für sich und bedeutet ein hinreißendes Erlebnis bis hin zur Wahl und Farbigkeit der Blütenpflanzen. Alles ist aus der architektonischen Situation heraus entwickelt. Mag man auch Historisches assoziieren: In Wirklichkeit sind die Gärten freie Gestaltungen. Weber bezog in das Gesamtbild auch die Landschaft mit ihren Kuhweiden, Wassergräben, Pappelalleen und dem hohen lichterfüllten Himmel ein. "Natur, Raum und Licht sind die zentralen Bezugspunkte für Roland Weber. Der souveräne Umgang mit diesen allgemeinsten Elementen ist es, der seine Arbeit vom üblichen Rahmen deutlich abhebt und in die Tradition der großen Garten- und Landschaftskunst stellt." [1]

Schon 1980 überließ Helmut Hentrich Kasteel Groot Buggenum einschließlich der Umlagen der Provinz Limburg für den symbolischen Preis von einem Gulden mit der Auflage, es nach seinem Tode im existierenden Zustand mit dem gesamten Inventar zu erhalten und als Gästehaus zu nutzen. Heute ist das Anwesen in der Obhut einer Stiftung.

Das auf Tonband mitgeschnittene Gespräch wurde am 24. Juli 1992 mit Helmut Hentrich allein in Groot Buggenum geführt und noch am selben Tag mit ihm und Roland Weber in dessen Düsseldorfer Wohnhaus fortgesetzt. Es sollte im DuMont-Band "Helmut Hentrich/Hans Jürgen Dressel, Kasteel Groot Buggenum. Biographie eines Hauses, Köln 1992" erscheinen, blieb schließlich aber unveröffentlicht. Heute, nach dem Tod von Hentrich und Weber, ist die Tonbandaufzeichnung ein unschätzbares Dokument, das die Leidenschaft beider Persönlichkeiten für ihre Sache eindringlich wiedererleben lässt.

In der Internet-Wiedergabe entspricht das Gespräch der Tonbandfassung bis auf wenige Stellen, die ich sprachlich "geglättet" habe, ohne dabei die inhaltliche Aussage zu verändern. Eine Kopie der Tonbandaufzeichnung besitzt das Europäische Gartenkunstmuseum Schloss Benrath.

Bonn, im Sommer 2004WH

Kasteel Groot Buggenum. Eingangstor in den Vasengarten (innerer Hof). Im Hintergrund rechts das Hauptgebäude, daneben der neu errichtete Zwischenbau mit Terrasse und die ehemalige Wagenremise, die zu Wohnzwecken umgebaut wurde, 1992

Wilfried Hansmann: Gäste, die Sie - Herr Prof. Hentrich - hier in Ihrem Kasteel Groot Buggenum empfangen haben, schwärmen vom Zauber der Atmosphäre, die sie genießen durften. Sie selbst haben davon gesprochen, dass Sie in der herrlichen Landschaft Limburgs Nützliches, aber auch Schönes schaffen wollten. Sie haben in dieses Haus etwas eingebracht, was Ihnen ganz persönlich gehört: die Erinnerung. Sie verbrachten Ihre Jugendzeit in einem Haus mit großem Garten in niederrheinischer Landschaft. Daran dachten Sie gewiss, als Sie sich für Groot Buggenum entschieden. Aber dieses Haus wäre gewiss nicht so geworden, wie wir es heute erleben, besäßen Sie nicht auch die Berufung des leidenschaftlichen Sammlers.

Helmut Hentrich: Ja, Sie haben Recht.

WH: Groot Buggenum birgt wundervolle Dinge: Porzellane und Fayencen, Gemälde, Grafiken, Erinnerungsstücke an Reisen in ferne Länder, die Vogelkäfige im Turmzimmer nicht zu vergessen. Das Haus, das Sie sich geschaffen haben, ist gleichsam ordnende Hülle für diese Sammlung.

HH: Ja, ich sammle unsystematisch und auch wieder bewusst systematisch. Sehr systematisch ist meine Sammlung der Gläser entstanden, die sich heute im Düsseldorfer Kunstmuseum befindet, ca. 2600 Stück. Zu meiner Freude hat man die Sammlung anlässlich meines 85. Geburtstags in etwa verselbständigt: so heißt es jetzt Kunstmuseum Düsseldorf [2], Glasabteilung [3] Hentrich. Hier in Buggenum ist es anders. Was Sie hier sehen, kann man gar nicht systematisch zusammentragen. Die Dinge müssen einem entgegenkommen. Man reist herum, man findet etwas, und man hat das Gefühl, es könnte sicherlich passen. Ein Risiko bleibt immer. Man häuft einen großen Fundus an und hat das Problem, wie man das alles unterbringen soll. Gitter oder Steine kann man draußen belassen. Aber Hölzer und Vertäfelungen müssen innen gelagert werden. Beim Einbau der Stücke aus dem Fundus habe ich außerordentliches Glück gehabt. Die Sachen haben so gepasst, dass ich kaum große bauliche Veränderungen habe vornehmen müssen.

WH: Wie haben Sie Kasteel Groot Buggenum gefunden?

Kasteel Groot Buggenum. Blick aus dem Vasengarten auf das Hauptgebäude, 1992

HH: Ganz einfach. Ich las zufällig in der 'Rheinischen Post' eine kleine Annonce: Bauernhäuser im holländischen Grenzgebiet zu verkaufen. Dabei stand eine Telefonnummer. Die habe ich gewählt und gesagt, ich wolle kein Bauernhaus, sondern etwas Größeres. Die Antwort der anderen Seite: "Natürlich". Doch man bot mir Villen - scheußliche Villen der Zwanziger- und Dreißigerjahre und auch neuere Immobilien. Die waren nicht das, was mir vorschwebte. Das Anwesen sollte schon einen architektonischen Wert haben. Es durfte ruhig in schlechtem Zustand sein, das spielte keine Rolle.

Eine ganze Weile hörte ich nichts. Dann erhielt ich einen Anruf, jetzt sei genau das gefunden, was ich suchte - nicht allzuweit von der Grenze entfernt. Ich fuhr nach Groot Buggenum, und da standen schon zwei Düsseldorfer Wagen davor - ausgerechnet von Kollegen. Die Verkäuferin, die etwas hilflos war, musste sich nun entscheiden. Aber nach kurzem Gespräch sagte sie zu mir: "Die beiden gefallen mir nicht. Ich verkaufe es lieber Ihnen. Aber ich kann die nicht länger hinhalten. Wir können noch eine halbe Stunde herumgehen." Ich sagte: "Ich brauche gar nicht viel herumgehen, ich sehe auch von außen, was mit dem Gebäude los ist." Der Zustand war schlimm, verlockend günstig aber der Preis: umgerechnet 117000 DM. Ich war entschlossen zu versuchen, aus der Sache planmäßig etwas zu machen. Ich sagte mir: Wenn ich das Gefühl habe, das wird zu teuer oder es geht nicht, dann verkaufe ich wieder, das ist mir das Risiko wert. Ein paar Tage später unterschrieben wir den Vertrag.

WH: Bei dieser Wahl dürfte Sie nicht zuletzt die Landschaft fasziniert haben, die Sie an Ihre Jugendzeit erinnert.

HH: Das war das Wichtigste. Ich wurde zwischen Krefeld und Uerdingen geboren und erzogen. Als ich drei Jahre alt war, ging meine erste Auslandsreise an die holländische Küste. Ich bin also mit Holland sehr früh in Berührung gekommen. Meine Eltern besaßen ein großes Haus mit einem herrlichen Garten. Da gab es vor meinem Fenster eine wunderbare, noch richtig laufende Windmühle, und unmittelbar vorm Haus auf der anderen Straßenseite grasten die Kühe.

WH: Etwas Ähnliches fanden Sie hier. Aber Sie standen vor einer Ruine.

Roland Weber: Kasteel Groot Buggenum, Gartenplan 1973 1 Kräutergarten, 2 Wassergarten, 3 Staudengarten, 4 Vasengarten, 5 Rosengarten, 6 Nutzgarten, 7 Obstgarten

HH: Ja, Haupthaus und Pferdestall hatten noch ein Dach. Aber über dem wichtigen Seitenflügel war das Dach bereits eingestürzt. Alles Holzwerk war faul und musste herausgerissen werden. Aus der Erbauungszeit war der Keller erhalten.

WH: War noch das Grabensystem vorhanden? Gab es noch gärtnerische Anlagen?

HH: Der Graben war noch vorhanden, aber stark verlandet. Er führte kaum Wasser. Das erste, was zu tun war, war: den Graben vertiefen. Was sollte man mit diesem vielen Schlamm machen, der vermutlich jahrhundertealt war? Wir haben ihn über das ganze Gelände verteilt, haben Sand zugesetzt und zwei Jahre lang Lupinen darauf gepflanzt, schließlich das Ganze umgearbeitet. Der Boden ist so fruchtbar geworden, dass wir hier so gut wie keinen Dünger brauchen. Auf dem Gelände standen sicherlich an die hundert Obstbäume. Sie waren aber alle krank. Wir haben lediglich zwei ältere Birnbäume und eine Spalierbirne erhalten können. Dann gab es noch drei große Weiden, die aber inzwischen Opfer des Sturms geworden sind; wir haben sie nachgepflanzt. Sonst lag ein ausgebranntes Auto im Hof - es war eine Wüste.

WH: Als Sie darangingen, die Grundstrukturen des Burggeländes in Ordnung zu bringen, haben Sie wahrscheinlich bald auch an gärtnerische Anlagen gedacht. Sie beauftragten schließlich damit einen der besten Landschaftsarchitekten unserer Zeit: Roland Weber.

HH: Mit Roland Weber verbindet mich eine alte Freundschaft. Ich habe ihn kennengelernt, als ich von meiner großen Reise nach meinem Studium zurückkam. Ich war in Japan gewesen und hatte Bilder von japanischen Gärten und Häusern mitgebracht. Die Technische Hochschule Berlin veranstaltete eine Ausstellung. Dazu wurde auch die Hochschule für Gartengestaltung hinzugebeten. Ich hielt einen Vortrag. Nachdem er zu Ende war, stand Weber auf und sagte: "Ich danke Ihnen." Durch Zufall habe ich ihn Jahre später in Düsseldorf wiedergetroffen.

WH: Wir werden über die Gärten später sprechen. Wie ging es zunächst weiter mit dem Haus? Sie haben ja selber geplant.

HH: Natürlich. Ich habe mir sehr viel Zeit dafür genommen, und das Projekt hat mich selbst auf Urlaubsreisen nicht losgelassen. Ein Architekt aus Krefeld, Wilhelm Kessel, hat sehr sorgfältige Bauaufnahmen gemacht und damit die notwendigen Planungsgrundlagen geschaffen. Auf dieser Basis habe ich dann etwas entwickelt, habe auch sofort gesehen, dass man die Baukörper miteinander verbinden muss, wie sie ja auch früher verbunden waren. Aus dem Lageplan der ursprünglichen Anlage geht hervor, dass das Haus wahrscheinlich zwei Türme in den beiden Ecken hatte. Dazwischen lag verbindend der Hauptbau. Es war eine ganz symmetrische, auf eine große Achse mit Brücke bezogene Anlage. Dieses Konzept wurde durch den Bau der Villa in den Achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Stil der Maasrenaissance aufgegeben. Herr Kessel, der erhebliche denkmalpflegerische Kenntnisse besitzt (eines seiner modernen Häuser in Düsseldorf-Kalkum steht übrigens schon unter Denkmalschutz) hat dann die Ausführungs- und Detailzeichnungen gemacht. Wichtig war, den Charakter der hiesigen Architektur zu erfassen und in die Planung einzubringen. Hierzu dienten viele Fotos, die neu aufgenommen wurden. Die holländische Denkmalpflege hat uns bei dieser Arbeit hervorragend unterstützt.

WH: Sie sind durchs Land gefahren und haben Einzelheiten der limburgischen Architektur studiert.

HH: Das war außerordentlich wichtig.

WH: Das Haus passt also auch von den Details her in die Landschaft hinein.

HH: Ja. Unmittelbar nach dem Krieg hatte ein Architekt aus Roermond schon wieder Teile des Hauses aufgebaut. Er hat es sehr gut gemacht. Ich habe im Grunde die Arbeit fortgesetzt. Leider waren die Flickstellen im Backsteinmauerwerk allzu sichtbar; man hätte nicht alles mit Efeu abdecken können. Nun ist es ein glücklicher Zufall, dass hier in der Nähe Thorn liegt, und Thorn heißt in Holland die "witte stad". Denn dort sind die Backsteinhäuser weiß gestrichen. Ich sagte mir, man kann doch auch Kasteel Groot Buggenum weiß schlämmen, dann ist das ganze Problem gelöst. Der Entschluss, glaube ich, war richtig. Denn das Haus wirkt in seiner grünen Umgebung sehr viel frischer, als wenn da jetzt eine düstere Backsteinarchitektur stände.

WH: Die einzigartige Wohnatmosphäre dieses Hauses ist unverwechselbar mit Ihrer Person, mit Ihren persönlichen Interessen, mit Ihrer Sammelleidenschaft verbunden. Es ist genüsslich, von Ihnen durch die Räume geführt zu werden. Jedes Stück der Ausstattung hat seine Geschichte, die Sie gerne erzählen. Alles ist in diesem Haus zu einem Gesamtkunstwerk enzyklopädischen Zuschnitts zusammengewachsen. Darin liegt der besondere Charme.

Kasteel Groot Buggenum. Blick vom Hauptgebäude über den Fluss Uffelsche Beek auf das Dorf Grathum, 1992

HH: Das sehe ich ähnlich. Und mir macht es ja Freude, gute Dinge zusammenzubringen. Man sagt: "Alles, was gut ist, passt auch zueinander." Das stimmt nicht ganz. Aber an sich riskiere ich gerne, Dinge kontrastreich zusammenzustellen, z.B. ein chinesisches Möbel, chinesisches Porzellan oder Kunstgewerbe mit Europäischem zu mischen. Hier in diesen Räumen sind fast überall Gegenstände der verschiedensten Länder vertreten.

WH: Sie haben noch sammeln können zu einer Zeit, wo viele Kunstgegenstände günstig zu bekommen waren.

HH: Nicht nur das. Teilweise wurden solche Schätze regelrecht weggeworfen. Warum hätte man Sie nicht sammeln und in einem Haus wie diesem wieder zur Geltung bringen sollen?

WH: Man findet hier viele Stücke, die Sie auf Reisen erstanden haben: auf Bali, auf Haiti. Oft waren die Transportkosten vermutlich höher als der Kaufpreis.

HH: Das Kaufen auf den Reisen ist ja das Schönste neben dem Erlebnis der Landschaft und der Architektur.

WH: Die vielen Sammlungsstücke haben gewiss auch das Raumkonzept für dieses Haus bestimmt.

HH: Richtig. Ich hatte Zeichnungen im Maßstab 1:50 zur Verfügung, in denen man relativ viele Details darstellen kann. Für besondere Situationen sind Zeichnungen im Maßstab 1:20 erforderlich. Man erinnert sich seines Fundus und zeichnet die Stücke aus der Phantasie in die Pläne ein. Man muss sich ja festlegen, denn wenn die Möbelpacker kommen, muss man ihnen klare Anweisungen geben können. Eigenartig ist: Hier in Groot Buggenum steht kein einziges Möbel mehr an der Stelle, für die es ursprünglich vorgesehen war. Ummöblieren macht besonders viel Spaß, aber auch viel Kopfzerbrechen. Das ist umständlicher als man normalerweise glaubt. Wenn wir heute Hotels oder dergleichen einrichten, dann ist alles festgelegt. Man kann nichts verändern. Aber eine solche Atmosphäre wie in diesem Haus kann man nur schaffen, wenn man bereit ist, eine Sache wieder zu verkaufen oder zu verschenken und etwas anderes dafür hinzustellen.

WH: Gibt es Stücke unter den vielen Dingen im Hauses, die Ihnen besonders kostbar sind?

HH: Das ist eine schwierige Frage. Da müsste man länger nachdenken. Aber wenn ich es auf die Kürze sagen darf: Ich glaube nicht. Alles hängt irgendwie miteinander zusammen. Ich könnte auch nicht sagen, dass ich einen Raum besonders schätze. Ich habe natürlich nach den Jahreszeiten meine Vorlieben. Der Raum mit dem großen offenen Kamin ist mir im Winter am liebsten, und ich habe einen wunderschönen offenen Sitzplatz; den genieße ich im Sommer. Ein von mir besonders geliebtes Möbelstück oder sonst irgend etwas? Es ist wie bei Kindern: Die hat man im Grunde alle gleich lieb.

WH: Sie hatten auch die Chance, die Architektur um einen Kunstgegenstand, um ein Gitter z.B., herumzuentwerfen.

HH: Das erwies sich gelegentlich als Vorteil. Ich dachte, das Haus stehe unter Denkmalschutz. Als ich erfuhr, es sei nicht denkmalwürdig, hatte ich freie Hand, allerdings unter freundschaftlicher Beratung der holländischen Denkmalpflege (die heißt hier 'Monumentenzorg', ein reizender Ausdruck: Sorge um die Monumente).

WH: Ein namhafter Denkmalpfleger aus Deutschland hat sich über Ihre Art, mit Groot Buggenum umzugehen, geäußert, man dürfe so etwas nicht machen, aber er finde es herrlich.

HH: Man sieht in Deutschland die Dinge nicht nur kritisch, meines Erachtens sieht man sie heute viel zu theoretisch und auch viel zu sehr von der Historie her. Ich denke an Beispiele in Berlin. Da gibt es sehr schöne Bauten aus dem Klassizismus. Dann kamen Zutaten aus den Dreißigerjahren hinzu, die das Ganze erheblich verschlechtert haben, und dennoch bleibt alles so bestehen, denn das ist ja Geschichte. Das stimmt natürlich. Das ist Geschichte. Ich bin aber der Ansicht, dass man Geschichte auch in diesem Fall korrigieren darf. Natürlich waren viele Denkmalpfleger und viele meiner Kollegen hier. Sehr oft äußerten sie sich wie der deutsche Denkmalpfleger. Aber letzten Endes haben sie das, was sie hier sahen, akzeptiert. Mein Lehrer Hans Poelzig, der kein Theoretiker war und dem ich sehr viel zu verdanken habe, hat gesagt: "Kinder (er nannte uns Kinder, wir nannten ihn Meister), ihr könnt alles machen, es muss nur stimmen." Und an diese Maxime habe ich mich in meinem Leben sehr oft gehalten.

WH: Wie nutzen Sie das Haus? Es bietet ja Wohnmöglichkeiten vielfältigster Art, für den Hausherrn wie für seine Gäste.

HH: In meinem Alter bin ich nicht mehr so beweglich; das ist ganz natürlich. Ich nutze tagsüber im Wesentlichen das Erdgeschoss, obgleich mein "Arbeitszimmer" (so viel wird darin nicht gearbeitet, aber es muss ja einen Namen haben, und die Bücher sind dort) oben liegt. Ich wechsle gerne die Räume. Es ist nicht alltäglich, dass man als alleinstehender Mensch über so viel Wohnfläche verfügen kann. Fast ist das unsozial. Aber diese Art zu Wohnen macht natürlich ganz besonderen Spaß.

Kasteel Groot Buggenum. Der Außensitzplatz in der ehemaligen Wagenremise mit Blick über die Gracht und das Rübenfeld, 1992

WH: In nahezu jedem Raum gibt es einen offenen Kamin, und jeder scheint seine eigene Art zu haben, Atmosphäre zu schaffen.

HH: Das ist gut beobachtet. Ich war sehr befreundet mit einer weltberühmten Bühnenbildnerin, Ita Maximowna, die in Berlin lebte. Sie sagte einmal: "Wenn man als einzelner Mensch lebt, gibt es nichts Wunderbareres als einen offenen Kamin, ein paar Kerzen, etwas Gutes zu trinken und dabei Musik aus dem Hintergrund." Das versuche ich etwas nachzumachen.

WH: Mich fasziniert, mit welcher Einfühlung Sie das Kasteel auf die Landschaft bezogen haben. Wir sitzen hier in dem nach draußen offenen überdeckten Raum, den Sie eben erwähnten. Vor uns ein schmiedeeisernes altes Gitter, dahinter der Burggraben. Unser Blick schweift weit über ein Rübenfeld. Im Hintergrund Baumalleen und Häuser, darüber ein hoher lichterfüllter Himmel. Die Vorstellung, dass ein solches Bild eines Tages durch Siedlungshäuser zerstört werden könnte, ist beängstigend. Gibt es Landschaftsschutz, der das verhindern hilft?

HH: Ja, den gibt es. Was wir vor uns sehen, ist Landschaftsschutzgebiet; das gibt es auch bei uns in Deutschland. Nur wird Landschaftsschutz in Holland, Gott sei Dank, viel schärfer gehandhabt als bei uns.

Das Rübenfeld finde ich bedauerlich, denn früher gab es dort Weiden mit schwarzweißen Kühen, so genannte Friesen. Leider ist man darauf gekommen, dass braunweiße Kühe mehr Milch oder besseres Fleisch geben. Und jetzt haben wir hier in der ganzen Gegend nur noch braunweiße Kühe, was ich schade finde.

WH: Sie haben Kasteel Groot Buggenum in bestimmtem Rahmen geöffnet für die Bevölkerung. Wir erleben gerade, wie sich im Vasengarten und im Kräutergarten Brautpaare fotografieren lassen. An solchen Szenen haben Sie gewiss Vergnügen.

HH: Aber natürlich. Es ist eine alte Sitte. Wenn geheiratet wird, auch in den Nachbardörfern, dann lässt man sich hier vor dem Haus fotografieren. Ich freue mich darüber. Die Brautpaare haben ihren Spaß, und das Nette ist, dass der Gärtner, der das Ganze organisiert, auch noch etwas davon hat.

WH: Hat man auch Zugang zum Haus, wenn man nicht gerade heiratet?

HH: Jeder hat Zugang, der sich anmeldet. Ich habe sehr viel Besuch, auch offiziellen Besuch. Beispielsweise war Königin Beatrix einmal hier. Das war ein großes Ereignis. Sie war von diesem Haus sehr angetan und ist bis oben in den Turm gestiegen. Sie erzählte von Groot Buggenum ihrem Vater Prinz Bernhard. Er rief nach einiger Zeit an, auch er wolle einmal einen Besuch abstatten. Ich durfte ihn zu einem Mittagessen empfangen.

WH: Es gibt also Leben in diesem Haus.

HH: Ja. Manchmal zuviel.

WH: Wir haben das Haus verlassen und die Treppe zum Pavillon im Kräutergarten bestiegen. Uns erwartet ein zauberhafter kleiner Raum, ausgestattet mit portugiesischen Fliesen in Weiß und Blau. Sie vermitteln eine ganz eigenartige Stimmung von Kühle. Aber nicht sie sind das Wesentliche dieses Raumes, sondern der Blick aus dem Fenster auf den Kräutergarten, auf den Wassergarten, auf den Vasengarten vor dem Haus und schließlich in die Landschaft.

Kasteel Groot Buggenum. Der Wassergarten mit gotischem Taufstein als Brunnen, 1992

HH: Der Pavillon wird sehr viel genutzt, vor allem nachmittags zum Tee- oder Kaffeetrinken, und auch abends.

WH: Das kleine Bauwerk ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Architektur mit der Gartenkunst zusammenklingen kann. Der Pavillon ist gleichsam der Knotenpunkt auf drei aneinanderstoßenden Gartenmauern, eine reizvolle Situation.

HH: Ich finde es auch und habe besonders viel Freude daran. Ich sagte schon, daß ich zwischen Krefeld und Uerdingen groß geworden bin. Der nächste Nachbarort war Linn. Linn war eine kölnische Festung mit Graben, ein kleines Städtchen. Ich habe früh angefangen zu zeichnen, mit sechs oder sieben Jahren. Mein erstes Objekt war die Linner Burg. Ich bekam ein Klappstühlchen und Karton. Das Unangenehme war, dass die Schulkinder aus Linn alle um mich herumstanden. Es gab in Linn um den Stadtgraben, der noch erhalten ist, hinter Hecken Obstgärten. Die wurden dort angelegt, weil sie aus dem Stadtgraben im Sommer bei Trockenheit gut bewässert werden konnten. Und wenn das Obst reif war, musste es irgendwie bewacht werden. Deswegen wurden, wie in den Weinbergen, solche Häuschen hineingebaut. In Linn gibt es dafür ein wunderbares Beispiel. Das Häuschen, auf einem Untergeschoss, ist so hoch, dass man noch über die Hecken gucken kann und damit in die schöne Landschaft. Eine ganz sachliche Architektur mit einem geschwungenem Dach, ich glaube Ende 17. oder Anfang 18. Jahrhundert. Dieser Pavillon war mein liebstes Zeichenobjekt. Ich war sehr stolz auf meine Zeichnungen, und der Zeichenlehrer am Realgymnasium hat sich auch darüber gefreut. Er hat mich sehr gefördert, und ich konnte im Zeichnen glänzen (das hat mein Mangelhaft in Turnen beim Abitur etwas ausgeglichen). Nun musste ich hier in Groot Buggenum die aufeinanderstoßenden Mauern durch einen Baukörper abfangen. Und da erinnerte ich mich, dass der Pavillon in Linn in der Masse und auch im Charakter hervorragend hier passen würde. Das habe ich in einem Modell untersucht. Und dann hat Herr Kessel diesen Pavillon sehr sorgfältig aufgemessen, und er wurde genauso wie in Linn mit einem offenen Kamin im Inneren hier nachgebaut. Vielleicht werden Sie sagen, das sei auch etwas, was man eigentliche in der heutigen Zeit nicht mehr machen kann.

WH: Ich sage: Es ist ein Stück Jugenderinnerung, die Sie hier baulich vergegenwärtigt haben.

HH: Ja, wie vieles Jugenderinnerung ist.

WH: Ihr Wunsch, Überraschungen zu schaffen, ließ eine Folge von architektonischen Gärten entstehen, die durch die Fülle von Details bezaubern. Jeder einzelne der Gärten ist eine Welt für sich, doch alles ordnet sich harmonisch zueinander. Immer wieder öffnen sich Blickbeziehungen - auch in die Landschaft.

HH: Ich hatte das Glück, bei der Planung Roland Weber dabeizuhaben, wie auch jetzt, in dessen Düsseldorfer Haus wir unser Gespräch fortsetzen. Man sagt Roland Weber nach, dass er die Natur durch Kunst natürlicher mache. Ich glaube, das ist ihm in Groot Buggenum in vollem Maße gelungen.

WH: Herr Weber! Das 'Frankfurter Allgemeine Magazin' hat 1983 einen Artikel über Sie veröffentlicht. Daraus zitiere ich: "Roland Weber bewundert die monumentalen Gartenkunstwerke der Renaissance oder des Barocks. Aber selber entwirft er Gärten nach der feinen englischen Art. Die Natur wird nur unmerklich mit zartester Hand geformt und korrigiert." Gestutzte Heckenkulissen könne man bei Weber nicht bestellen. Trifft dies zu?

Roland Weber: Im Großen und Ganzen ja, weil meine Gärten meistens freie Gestaltungen sind. Ich mache selten Gärten mit geometrischen Grundformen. In Buggenum hat alles Bezug zur Architektur. Es beginnt schon vorne am Eingang mit den beiden Linden und mit dem Tor. Dann der vieleckige Vorhof mit dem alten Brunnen aus Bayreuth und der Garage.

Kasteel Groot Buggenum. Blick über die Gracht auf die Roseninsel mit Sitzplätzen und Bogenöffnungen für den Blick in die Landschaft, 1992

Immer wieder gibt es Räume, die eine gewisse Geometrie haben: durch die Form des Portals aus Schloß Harff mit dem Gitter aus Veitshöchheim, durch die Brunnen oder das große Wasserbecken für die Seerosen im Wassergarten, durch die Aufteilung der Beete im Kräutergarten mit den Rosenhochstämmen und die schöne Efeuwand mit dem kleinen Brunnen, wo man sehr schön 'Wassermusik' hört.

WH: Als Begrenzungen müssen hier Mauern, aber auch Hecken eine Rolle spielen.

RW: Wir haben eine Folge von einzelnen Gärten. Jeder hat seinen besonderen Charakter. Das Portal z.B. öffnet sich zum schönen großen Vasengarten mit den vier wunderbaren Bleiurnen auf Sockeln, die mit Rosen bewachsen sind. Hier standen früher einmal Ahornbäume, die Prof. Hentrich haben wollte und die er ohne mein Dazutun gepflanzt hatte. Dadurch war der ganze Raum zerstört. Er hat es mir, Gott sei Dank, nicht übel genommen, dass ich sagte: Das stimmt nicht, die müssen raus. Und das habe ich auch erreicht. Dadurch ist der Raum jetzt so wunderbar großzügig. Und die Mauern wirken und die Bepflanzungen auch. Vor allem wirken der Pavillon und das Haus selbst mit seinen Nebengebäuden.

WH: Herr Hentrich! Wo haben Sie die schönen Bleivasen gefunden, von denen Herr Weber gesprochen hat?

HH: In London. Das war eine komische Geschichte. Der Kunsthändler sagte mir, er hätte nur drei. Aber mit dreien kann man ja nichts machen in einem Garten, den ein Achsenkreuz gliedert. Ich sagte mir, solche Vasen hat man immer paarig aufgestellt, also ist da auch noch eine vierte. Ich ging dann selber auf die Suche und entdeckte tatsächlich die vierte Vasen an einer Mauer. Nun stehen sie bei mir im Vasengarten und sind dort - wie ich finde- wunderbar plaziert. In diesem Gartenraum musste ja auch irgendetwas Maßstäbliches sein, und ich glaube, dass gerade die Vasen den Maßstab zur Terrasse und zum Haus geben. Der Maßstab spielt überhaupt die entscheidende Rolle bei allem, was hier gestaltet ist.

WH: Roland Weber hat daran seinen Anteil?

HH: Wenn ich in England oder in Frankreich war, habe ich sehr viele Sachen für die Gärten gekauft: Brunnen, Gitter, Obelisken. So wie ich die Aufgabe hatte, alte Bauteile und Möbel im Haus zu integrieren, hatte Weber die Objekte in die Gärten einzuplanen. Und so wuchs auch hier ein harmonisches Ganzes zusammen.

WH: Wenn man die verschiedenen Gärten betrachtet, erinnert man sich an historische Anlagen. Da gibt es einen Wassergarten. Wir kennen diesen Gartentyp aus dem alten Ägypten, aus der Renaissance und aus dem Barock. Auch Kräutergärten gab es in historischen Zeiten. Und dennoch. Man hat nie den Eindruck, dass historische Gärten kopiert, modifiziert oder variiert wurden.

RW: Es sind freigedachte Schöpfungen, immer nur aus der Situation heraus entstanden, mit Blick auf die Gesamtheit. Der runde Staudengarten z.B. hat fast wie von selbst seine Form erhalten durch den runden riesigen Stein als Brunnenschale in seiner Mitte.

WH: Sehen Sie Ihre Gärten als Gesamtkunstwerk?

Kasteel Groot Buggenum. Der Staudengarten mit dem Basaltlinse-Brunnen und blühendem Phlox, 1992

RW: Ich bin in Bezug auf meine Arbeit mit dem Wort Kunst ziemlich vorsichtig. Aber diese Gärten sind eben aus leidenschaftlicher Begeisterung für die Gesamtsituation entstanden und aus unendlichem Überlegen und Nachdenken und Suchen nach Möglichkeiten, alles zu einem stimmigen Gesamtbild zu formen.

WH: Wunderbar ist die Pflasterung der Wege und der Plätze. Ähnliches kann man im nahen Thorn finden.

HH: Man musste darüber nachdenken: Wie sollen die Wege gestaltet werden? Man muss auch mit dem Auto darüber fahren können. Als ich nach Thorn kam, sah ich zum ersten Mal, dass eine ganze Stadt mit Kieselpflaster ausgelegt ist. Das hatte einen Grund. Die Kiesel kamen unmittelbar aus der Maas. Früher sind immer die Materialien aus der nächsten Umgebung verbaut worden. Ich stellte fest, dass es in Thorn noch jemanden gab, der sich auf Kieselpflaster verstand. Dieser Mann war bereit, an Wochenenden bei mir die Pflasterung durchzuführen. Er hatte selbst unendlichen Spaß daran. Was aus der Gegend kommt, ist harmonisch und passt.

WH: Was sagt der Landschaftsarchitekt zu den Pflasterungen?

RW: Ich freue mich darüber und bin vielleicht auch nicht ganz unschuldig an ihrer Mannigfaltigkeit.

WH: Der Landschaftsarchitekt braucht ein Maximum an Freiheit für sein kreatives Gestalten. Hat Herr Hentrich Ihnen diese Freiheit in Groot Buggenum gelassen?

RW: Er hat sich grundsätzlich nie in meine Planung eingemischt. Wir haben immer alles zusammen überlegt. Hin und wieder fiel ihm plötzlich etwas anderes ein. Doch wir kennen uns seit 1933 und haben immer über alle wichtigen Probleme freundschaftlich gesprochen. Dieser Garten ist das Ergebnis intensiver Zusammenarbeit. Ich will aber nicht verschweigen, dass ich ein paar Dinge anders ausgeführt hätte.

WH: Zum Beispiel?

RW: Den Rosengarten. Zwei Rosenhecken verbinden geradlinig zwei Pavillons zwischen zwei Wasserläufen. Diese Geradlinigkeit ist uninteressant, die beiden schmalen Hecken haben für mich keinen großen Erlebniswert. Zusätzlich sind unter diesen Rosen Narzissen gepflanzt. Ich wollte die Hecken mäanderbandmäßig gestalten, um sie spannungsvoller zu machen. Mir waren neben den geraden Wasserläufen und der rechtwinkligen Form des Halbinselterrains diese schlichten Hecken zu einfallslos. Ich wollte mehr Dynamik hineinbringen.

WH: Dennoch, Herr Hentrich. Trotz der Kritik von Herrn Weber lieben Sie diesen Rosengarten, wie er ist. Wenn die Hecken im Rosenflor stehen, dürften Sie den Duft genießen, der sich dort entfaltet.

HH: Das ist berauschend. Wenn man zwischen den Hecken spaziert, ist man vom Duft völlig weg.

Ich möchte noch einmal zurückkommen auf die Spannung, von der Herr Weber mit Recht gesprochen hat. Ich stimme ihm heute zu. Deswegen haben wir die Hecken zweimal durchbrochen: Eine Blickachse geht über den Vasengarten in den Wassergarten, die andere Öffnung gibt den Blick in die Landschaft frei. Das ist ganz schön. Vielleicht sollte man die Form der Hecken nachträglich im Weber'schen Sinne korrigieren.

WH: Sprechen wir über Blumen. Ich sah in Groot Buggenum keine Blüten in grellen Farben.

HH: Vor allen Dingen gibt es kein Gelb und kein Orange. So etwas gehört in bunte Bauerngärten, die ich an ihrem Ort sehr schön finde. Ich bin aber überzeugt, dass dieses Haus eine andere Farbkomposition erfordert. Denn wenn ich mich auf Weiß, Blau, Rosa, auf rote und violette Töne beschränke, ergibt sich wie von selbst eine wunderbare Harmonie.

WH: Haben Sie eine Lieblingsfarbe?

HH: Ich liebe besonders weiße Blumen. Daneben empfinde ich die verschiedenen Blaus des Rittersporns als ein unerhörtes Erlebnis. Deswegen gibt es hier ja so viel Rittersporn. Herr Weber hat meinen Wünschen und Launen nachgegeben - im richtigen Rahmen.

Kasteel Groot Buggenum. Blick von der Brücke vor dem Eingangstor auf die Gracht und die "Glyzinienbrücke", 1992

WH: Wir sprachen über die weiße Architektur. Dazu passen weiße Blumen. So kommt eine bestimmte Farbstruktur in die Gesamtanlage hinein, die Ruhe ausstrahlt, auch eine gewisse Klarheit bewirkt.

HH: Alles wird gleichsam mit einer Farbe überzogen. Dadurch kommen die verschiedenen Formen durch die Lichtwirkung viel stärker in Kontrast und sind viel intensiver zu erleben.

WH: In ihrem eigenen Garten, Herr Weber, fällt auf, wie wenig blühende Pflanzen Sie einbringen - ausschließlich auch in der Farbe Weiß.

RW: Meine Lieblingsfarben sind Weiß mit Grün. Ich habe als junger Mensch auch Forsythien in Gärten gepflanzt, weil die Leute es haben wollten und weil ich die Blüte auch schön fand. Seit Jahrzehnten pflanze ich keine Forsythien mehr, auch keinen Goldregen. Alles was gelb ist, gehört nicht mehr in meine Gärten. Ich habe in den letzten Jahrzehnten die Erfahrung gemacht, dass auch Rot im Garten eine Farbe ist, die mich nicht mehr befriedigt. Also Weiß und Grün ist für mich das Nonplusultra, aber auch das Grün allein ist für mich einfach hinreißend. Diese verschiedenen Nuancen von Grün - phantastisch.

Düsseldorf-Kalkum. Der Garten beim Haus von Roland Weber als Landschaftsbild, 1992

WH: Rainer Gruenter sagte über Ihre Gärten: "Nichts ist dem Zufall überlassen, die Bezüge von Baum, Himmel und Fläche sind geordnet, sind 'bedacht' wie die Objekte der Bilder an den Wänden seines (Webers) Gartenzimmers. Der Garten als Bild! Roland Webers Gärten sind bildnerische Kompositionen, deren Stilgeheimnis die zusammenfügende Strenge ist, die Objekte seines Gartenbildes zu sich selbst kommen zu lassen. Ein Birnbaum wird durch zarten kompositorischen Eingriff so freigestellt, dass er der Birnbaum ist ... Seine (Webers) Kompositionen haben in ihrer sensiblen Strenge einen Abstraktionsgrad, der wie die Partitur einer Fuge gelesen und genossen werden will. Seine Gärten sind Fugen, keine melodischen Gefühlswalzer. Sein ästhetischer Takt verbietet jede Flucht ins Bequem-Gemütliche, ins Lauschige oder Trauliche." [4]

HH: Das könnte man nicht besser ausdrücken.

WH: Sie haben also auch nicht den Eindruck, dass Roland Weber Ihnen um Ihr Haus herum "Gefühlswalzer" inszeniert hat?

HH: Nein. Nein. Im Gegenteil. Die Gärten haben etwas Architektonisches, was sich ergeben hat aus dem Quadrat, geformt von der Gracht um die Hausinsel. Und dieses Quadrat mit den rechten Winkeln war weitgehend bestimmend für alles andere. Ich finde es großartig, dass Roland Weber aus der Umgebung heraus gestaltet, mit den nötigen Freiheiten, und nicht versucht, irgendetwas aufzuoktroyieren, was da nicht hingehört.

RW: Während meiner Lehrzeit habe ich in einer Staudengärtnerei gearbeitet. In Kasteel Groot Buggenum hatte ich die Möglichkeit, meine Kenntnisse von den Stauden in beachtlichem Maße zu verwirklichen, wie ich es heute meinen Bauherren nicht mehr zumuten kann, weil man dazu sehr gute Gärtner braucht. Und die gibt es heute nicht mehr. Prof. Hentrich konnte sich die vielen Stauden leisten, weil ihm dauernd ein Gärtner zur Verfügung steht. Meine großen Gärten sind sehr einfach zu pflegen, weil sie keine Stauden haben. Als ich einmal einer Dame zu erkennen gab, ich sei Gartenarchitekt, sagte sie: "Ach wie schön, immer mit Blumen gestalten." Ich antwortete ihr: "Das ist ein großer Irrtum. Mit Blumen kann man keine Gärten machen, man kann Gärten nur mit Bäumen machen, indem man Räume schafft."

Prof. Dr.-Ing. Helmut Hentrich, Dr. Wilfried Hansmann und Roland Weber während des Gesprächs in dessen Haus in Düsseldorf-Kalkum, 1992

WH: Herr Weber wies auf die Pflegemöglichkeiten in Groot Buggenum hin. Wie haben Sie die Gartenpflege organisiert?

HH: Ich habe ein Gärtnerehepaar. Er kümmert sich um den Garten und um die Tiere (wir haben Schwäne, Enten, Hunde und anderes Viehzeug). Sie betreut das Haus. Sie hat eine sehr gute Begabung, Blumen zu stecken; darin ist sie ausgebildet.

WH: Und die Blumen pflückt sie in Ihrem Garten?

HH: Im Schnittblumengarten hinter der Garage.

WH: Zu den schönsten Gartenschöpfungen von Groot Buggenum gehört für mich der in konzentrischen Beeten strukturierte Staudengarten.

RW: Hier habe ich sehr viel mit farbigen Stauden gestaltet. Die Farben sind rhythmisch in die Struktur der konzentrischen Kreise integriert. Sie finden weiße Rosen in "Wolken" von roten Sporenblumen, die am Gardasee auf den steinigen Hängen wild wachsen. Außerdem ist u.a. Rittersporn, Lavendel und auch Phlox gepflanzt, denn mein Lehrer Karl Foerster, der berühmte Staudengärtner, sagte: "Ein Leben ohne Phlox ist ein Irrtum."

WH: Wenn man vor dem Portal in den Vasengarten steht und auf die Gracht schaut, wird man an Claude Monets Seerosengarten von Giverny erinnert: Bogenbrücke, von blauen Glyzinien umrankt, Trauerweiden, Seerosen.

HH: Selbstverständlich. Giverny ist die Ursprungsidee. Die Annäherung wurde besonders durch die Glyzinien erreicht. Sie wachsen noch weiter, und sie werden später dominieren. Monets Brücke ist größer; sie ist aus schweren Hölzern gemacht. Ich wollte neben der Hauptbrücke zwischen Vorplatz und Vasengarten keine neue schwere Brücke haben. Deswegen ist sie so zart und dünn gebildet. Es ist nur ein bisschen Eisen. Aber daran gedeihen die Glyzinien wunderbar. Und die Farbe der Brücke ist wohl Monet.

WH: Und die Seerosen.

HH: Im Nachhinein. Die waren vorher da.

WH: Für Monet waren seine Gärten in Giverny Quelle der Inspiration für seine Malerei. Auch in Ihren Gärten findet man überall Sitzplätze, die zur Betrachtung der Gartenbilder einladen.

HH: Die vielen Sitzmöglichkeiten hängen ein wenig mit meiner Beinverletzung zusammen. Je älter man wird, desto besinnlicher wird man ja irgendwie. Und wenn man sitzen kann und in die Gärten schaut: Das ist ein wunderschöner Genuss. Da kann man eigentlich gar nicht genug Sitzgelegenheiten haben - ähnlich wie die Japaner, die auch ihre Gärten betrachten.

WH: Also die Gärten auch als Räume für die Meditation und als Orte der Stille und des Überlegens.

HH: Ja, genau das.

WH: Rainer Gruenter hat mit Blick auf die Gärten von Roland Weber gesagt: "Der Garten ist der schönste Einfall des Menschen. Wie sollte er es nicht sein? Der von Gott geschaffene Paradisus der Genesis war sein erster Wohnsitz. Die Geschichte der Gartenkunst ist die Geschichte der Suche nach dem Verlorenen Paradies."[5] Ein solches Paradies haben Sie, Herr Prof. Hentrich, in Groot Buggenum gefunden und zu neuem Leben erweckt. Die Kunstgeschichte kennt das Thema des Künstlerhauses und des Künstlergartens. Ich denke an das Haus von Peter Paul Rubens in Antwerpen (er selbst hat sich im Garten mit Hélène Fourment und seinem Sohn Nicolaas gemalt), ich denke an Rüschhaus, das Landgut des westfälischen Barockarchitekten Johann Conrad Schlaun bei Münster. Von Claude Monet und Giverny war schon die Rede. Ich denke an den Barkenhoff Heinrich Vogelers in Worpswede oder an Franz von Lehnbachs Villa mit Garten in München. Dieser Reihe möchte ich Ihr Haus, Kasteel Groot Buggenum, hinzufügen.

HH: Danke schön.

Anmerkungen

[1]Werner Oechslin, Einführung. In: Roland Weber. Gärten, Parks, Gartenhöfe, Stuttgart 1983, S. 11.
[2] Heute: museum kunst palast.
[3] Richtig: Glasmuseum
[4] Zit. nach: Rainer Gruenter, Roland Weber, maschinenschriftliches Redemanuskript o.J., S. 2f.
[5] Ebenda, S. 4. - Die zitierten Passagen Anm. 4 und 5 später auch in: Rainer Gruenter, Vom Genius des Niederrheins. In: Roland Weber, Die Kunst des Gartens. Landschaftsgärten, Parks und Gartenhöfe. Mit Texten von Stella Baum, Rainer Gruenter, Helmut Hentrich, Klaus Klein und Werner Oechslin, Ostfildern-Ruit 1999, S. 45f.

Bildnachweis

Wilfried Hansmann, Bonn: 1-2, 4-10
Winfried Konnertz, Köln: 11
3 nach Roland Weber (wie Anm. 1), S. 111

Die Fotografien entstanden alle am Tag des Gesprächs 1992.