Begegnungen mit Roland Weber

Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Roland Weber - Die Kunst des Gartens" im Museum für Europäische Gartenkunst der Stiftung Schloss und Park Benrath, Düsseldorf, am 11. Juli 2004

Roland Weber (1909-1997) durfte ich zweimal zu Gesprächen über die Kunst seiner Gartengestaltung begegnen. Bei der ersten Begegnung an einem eisigen Dezembertag des Jahres 1991 führte Roland Weber einige Gäste und mich durch die Anlage bei seinem Wohnhaus in Düsseldorf-Kalkum. Was an dieser Gartenschöpfung spontan gefangen nahm, waren die Weite des Raumes und die Ruhe einer Grasfläche, auf der ein Frostteppich ausgebreitet lag und dem Winterbild des Gartens besonderen Zauber verlieh. Weiträumigkeit - so erläuterte Weber - sei von jeher ein Charakteristikum seiner Gärten gewesen, und er führte dies zurück auf das Landschaftsbild des Niederrheins, das sein Schaffen geprägt habe. Weber machte ferner auf ein anderes von ihm sorgsam befolgtes Gestaltungsmittel aufmerksam: die Transparenz der Begrenzung. Der Ausblick von seinem Wohnhaus in den Garten gehe ganz natürlich in die Niederrheinlandschaft mit ihrer schönen Pappelreihung über, erläuterte er. Im Verlauf des Gesprächs nannte Weber weitere Begriffe zur Charakterisierung seiner Gärten: Strenge, Einfachheit, Disziplin, Zeitlosigkeit. Auch sprach er vom Landschaftsgarten in England als einer bildnerischen Komposition, die für sein gartengestalterisches Wirken vorbildlich sei. Weber wies auf das für ihn wohl wichtigste Element seiner bildnerischen Komposition hin: auf die Anordnung der Bäume und Sträucher. Die dominierende Wirkung der vereinzelt in der Freifläche seines Gartens stehenden Bäume brachten ihn ins Schwärmen. Sträucher und Bäume seien in seinen Gärten Individuen. Ein Obstbaum von einigem Alter sei für ihn der Obstbaum schlechthin.

Düsseldorf-Kalkum. Roland Weber in seinem Garten mit Dr. Ulrich Stevens (links): Dr. Jörg A. E. Heimeshoff und Claus Lange (rechts), 14.12.1991

Im Wohnhaus zeigte Weber eine Grafik von Georges Braque, den er hoch schätzte. Ganz wichtig an Braques Kompositionsweise seien die weißen Zwischenräume der andersfarbenen Formstrukturen; dadurch gewinne das Ganze seinen Rhythmus, seinen Atem, seine Klarheit und seine Wirkkraft. "Schauen Sie nach draußen auf meine Bäume, wie ihre winterkahlen Äste in den Himmel ragen; sie bilden Zwischenräume wie in Braques Grafik. Ich liebe diese Bäume, denn sie sind für mich atmende Skulpturen, die um sich herum nach Raum verlangen. Den haben sie in meinem Garten."

Weite des Raumes, Ruhe der Fläche, skulpturale Erscheinung von Baum- und Strauchgruppen und von voll entwickelten Solitären: Heute weiß ich, dass Weber uns damals am Beispiel seines eigenen Gartens Grundsätze seines Gestaltens vermittelte - Grundsätze, die er selbst im steten Umgang mit der Kunst gewonnen hatte. Webers Stil - so haben Klaus Klein und Rolf Maas vortrefflich formuliert - "beruhte auf der Kraft, ausschließen zu können. Er beherrschte die Kunst des Weglassens und jene, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Mit Schönheit und Einfachheit gingen Stille und Leere des Raumes einher. Roland Weber verstand es, die entstehenden Räume mit Spannung und Leben zu erfüllen, indem er die einzelnen Formenelemente in Beziehung setzte. Es ergab sich ein Dreiklang von Himmel, Bäumen und der Fläche, eine natürlich anmutende Komposition, ein Kunstwerk. Das Ergebnis war die ruhige Eleganz seiner Gärten." [1]

Düsseldorf-Kalkum. Der Garten Roland Webers im Dezember 1991

In den sechs Jahrzehnten seiner Tätigkeit plante und gestaltete Roland Weber mehr als 900 Gartenanlagen im In- und Ausland. In den 1930er Jahren machte er sich einen Namen mit subtil gestalteten Hausgärten. Den Höhepunkt seiner Stilentwicklung erreichte Weber in den 1950er und 1960er Jahren. Er schuf Wohn- und Landschaftsgärten, Landhausgärten, Gartenhöfe und Grünanlagen zu Verwaltungsgebäuden. Schon in den frühen Arbeiten erschloss sich ihm durch empfindsamen Umgang mit der Natur jener Reichtum an Gestaltungsmöglichkeiten, der ihn befähigte, für jede Situation die souveräne Lösung zu finden. Man sagte Weber nach, er mache die Natur durch Kunst natürlicher. Materialien und Ausstattungsstücke durften im Kontext seiner Gärten nicht als Fremdkörper erscheinen. Künstlerische Disziplin und ästhetische Klarheit waren strikt zu befolgende Leitlinien.

Düsseldorf-Kalkum. Blick in den Garten Roland Webers von der versenkten Terrasse aus, 27.7.1992

Meine zweite Begegnung mit Roland Weber - wieder in Kalkum - fand anlässlich eines Gesprächs mit ihm und Professor Helmut Hentrich über dessen Kasteel Groot Buggenum im Juli 1992 statt. Wir schauten diesmal von der überdachten versenkten Terrasse des Wohnhauses aus auf den durchsonnten Garten - gleichsam aus der Kaninchenperspektive auf ein begehbares Landschaftsgemälde, in dem die Bezüge von Baum, Himmel und Fläche streng bedacht waren. Mir fiel auf, wie sparsam Weber seinen Garten mit blühenden Pflanzen ausgestattet hatte - ausschließlich in der Farbe Weiß. Dazu erklärte er: "Meine Lieblingsfarbe ist Weiß mit Grün. Ich habe als junger Mensch auch Forsythien in Gärten gepflanzt, weil die Leute es haben wollten und weil ich die Blüte auch schön fand. Seit Jahrzehnten pflanze ich keine Forsythien mehr, auch keinen Goldregen. Alles was gelb ist, gehört nicht mehr in meine Gärten. Ich habe in den letzen Jahrzehnten die Erfahrung gemacht, dass auch Rot im Garten eine Farbe ist, die mich nicht mehr befriedigt. Also Weiß und Grün ist für mich das Nonplusultra, aber auch das Grün allein ist für mich einfach hinreißend. Diese verschiedenen Nuancen von Grün - phantastisch."

Düsseldorf-Kalkum. Der Garten Roland Webers im Dezember 1991

Weber wusste, dass Grüntöne durch keine andere Farbe so intensiv gesteigert werden wie durch das Zusammenspiel mit Weiß. Deshalb pflanzte er immer wieder weißen Rhododendron, weiße Rosen und weiße Tulpen, diese mit Vorliebe in Tonkübeln.

Düsseldorf-Kalkum. Der Garten Roland Webers im Juli 1992

Nicht, dass Roland Weber blühende Pflanzen als Stilmittel seiner Gartenschöpfungen vernachlässigt hätte. Aber er reduzierte seine Pflanzenliste auf solche Arten, die ihn nicht nur ästhetisch befriedigten, sondern die sich auch durch günstiges Wachstum und Pflegeleichtigkeit auszeichneten. "Während meiner Lehrzeit", erzählte er, "habe ich in einer Staudengärtnerei gearbeitet. In Kasteel Groot Buggenum hatte ich die Möglichkeit, meine Kenntnisse von den Stauden in beachtlichem Maße zu verwirklichen, wie ich es heute meinen Bauherren nicht mehr zumuten kann, weil man dazu sehr gute Gärtner braucht. Und die gibt es heute nicht mehr. Professor Hentrich konnte sich die vielen Stauden leisten, weil ihm dauernd ein Gärtner zur Verfügung steht. Meine großen Gärten sind sehr einfach zu pflegen, weil sie keine Stauden haben. Als ich einmal einer Dame zu erkennen gab, ich sei Gartenarchitekt, sagte sie: ,Ach wie schön, immer mit Blumen zu gestalten.' Ich antwortete ihr: ,Das ist ein großer Irrtum. Mit Blumen kann man keine Gärten machen, man kann Gärten nur mit Bäumen machen, indem man Räume schafft.'"

Auf meine Frage, ob er die Gärten von Kasteel Groot Buggenum als Gesamtkunstwerke betrachte, gab Roland Weber zur Antwort: "Ich bin in Bezug auf meine Arbeit mit dem Wort Kunst ziemlich vorsichtig. Aber diese Gärten sind eben aus leidenschaftlicher Begeisterung für die Gesamtsituation entstanden und aus unendlichem Überlegen und Nachdenken und Suchen nach Möglichkeiten, alles zu einem stimmigen Gesamtbild zu formen." In diesen Sätzen offenbarte sich die Bescheidenheit, die Leidenschaft und die Souveränität eines der feinfühligsten Garten- und Landschaftsgestalter des 20. Jahrhunderts.

Wilfried Hansmann

Anmerkungen

[1]Zit. nach: Günter Mader, Gartenkunst des 20. Jahrhunderts in Deutschland, Stuttgart 1999, S. 132.

Fotografien: Wilfried Hansmann, Bonn