Ein unbekanntes Bildnis des Baumeisters Balthasar Neumann*

Balthasar Neumanns Ganzfigurenporträt des berühmten venezianischen Malers Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770) im Treppenhausgemälde der Würzburger Residenz (Abb. 11, 16) und das Neumann-Bildnis von dem würzburgisch-bambergischen Hofmaler Marcus Friedrich Kleinert (1694-1742; Abb. 2, 6) sind die vertrautesten Bildnisse eines der führenden Baumeisters des 18. Jahrhunderts (1687-1753). Die Würzburger Residenz, die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, die Abteikirche Neresheim: Sie bezeugen mit vielen anderen Bauwerken in Franken und vom Rheinland bis zum Bodensee sein Genie.1

Ein bislang unbekanntes Bildnis Balthasar Neumanns in fortgeschrittenem Alter wurde 2004 im Kölner Kunstauktionshaus Van Ham unter dem Notnamen ‚Deutscher Meister‘ versteigert2 (Abb. 1). Das Gemälde ist heute Besitz der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, die es in die Obhut des Neuen Schlosses Meersburg gegeben haben. Das Porträt, für die Kenntnis der Physiognomie Neumanns eine Jahrhundertentdeckung, wird erstmals im Folgenden in die Reihe der wenigen authentischen Darstellungen des Baumeisters aufgenommen.

Das Neumann-Bildnis von Marcus Friedrich Kleinert

„Seiner Hochfürstl(ichen) / Gnaden zu Würtz / burg Obrist Wacht / Meister der Artillerie / Ingenieur, und Architect / Balthasar Neuman æt(atis) 40 / Anno 1727“ lautet die Inschrift eines Festungsplans, den Neumann in der Rechten hält (Abb. 2). Die sich einrollende Rückseite des Plans trägt die Signatur „MF Kleinert. fec(it)“. Das Bildnis des Vierzigjährigen stammt aus dem Besitz der Familie Neumann.3

Bedeutungsreich inszeniert, überliefert das Gemälde „das sympathische Bild eines selbstbewussten Mannes von vitaler Gesundheit, erfüllt von hell wachem Verstand und zugleich kritischer Beobachtungsgabe, die aber eher wohlwollend als kalt oder arrogant hervortritt“4. Als Obrist der Artillerie, Ingenieur und Architekt „von Ihro hochfürstl(ichen) Gnaden zu Bamberg und Würtzburg“5 trägt Neumann einen Kürass, über dem ein roter Umhang liegt. Die Rechte mit dem Festungsplan stützt sich auf ein Kanonenrohr. Dieses und der Festungsplan sind Attribute des Ingenieurs; das Kanonenrohr zeichnet zugleich den Artillerie-Obristen aus.

Zu Neumanns Zeiten bezeichneten „Ingenieur“ und „Architekt“ verschiedene Berufsfelder des Bauwesens. Der Ingenieur war seit dem frühen 17. Jahrhundert im deutschen Sprachraum ein Baumeister, der sich mit Festungsanlagen wie auf dem Plan in Neumanns Hand beschäftigte; der Architekt widmete sich dem gesamten Spektrum des Zivilbauwesens.6 Nicht selten beherrschten die Baumeister des Barockzeitalters beide Sparten.

Die Architektur hinter Neumann ist der an der Cour d‘honneur gelegene Eckpavillon des Nordwestflügels der Würzburger Residenz. Auch sie ist Attribut, das des Zivilarchitekten, auf das Neumann mit weit ausholender Geste hinweist; er gibt so zu verstehen, er sei der Schöpfer dieses Werkes für die Fürstbischöfe von Würzburg, das er „unterhanden gehabt und dirigire“7. Da die Residenz im Entstehungsjahr des Bildnisses noch unvollendet ist, wird er auch künftig dafür wirken, dass sie „in den ordentlichen gang kommet“8. Außer Neumann lieferten andere Architekten Pläne für die Residenz, allen voran der Wiener Baumeister Johann Lucas von Hildebrandt. Bei der Ausführung der Arbeiten war Neumann der Konstrukteur und Organisator. Fremde Planideen korrigierte er in seinem Sinne, bevor er sie verwirklichen ließ. Auf der Baustelle konnte ihm niemand etwas vormachen, hatte er doch „ohnehin alle Maaß vndt riss nicht nur beyhanden, sondern daß Meiste Memoriter beynebens“9- im Kopf. Neumann nahm beim Bau der Residenz gewissermaßen „eine ähnliche Stellung wie der Bauherr ein, der über dem Wechsel der Architekten steht, nur dass hier in Würzburg der Tod die Bauherren dreimal wechseln ließ. So hatte Neumann wirklich als einziger das Glück, sein ganzes Leben als Künstler mit diesem Bau verbunden sein zu dürfen.“10

Kleinerts Bildnis stellt Neumann als Halbfigur in einer Haltung dar, die wirkt „wie ein plötzliches Zu-uns-Herüberblicken, ja fast wie ein Herüberlehnen über die Kanone“11. Die auf sie gestützte Rechte mit dem Festungsplan kann zupacken, doch fehlt es ihr nicht an Feinfühligkeit. Im unmissverständlichen Weisegestus der Linken drückt sich Stolz und Selbstbewusstsein aus, „und man bekommt so viel von der augenblicklichen Bewegung der rückwärts weisenden Hand zu spüren, dass man nicht fordert, die Verkürzung des Armes dargestellt zu sehen“12. Ihn deckt denn auch der rote Umhang über dem Kürass und hebt die Persönlichkeit ins Würdevolle. Andere Farben - die bläulich bis gelblich spielenden Glanztöne des Kürass, seine braun/gelbe Auszierungen, das Bronzegelb der Kanone, das grünliche Grau der Residenzarchitektur - treten gegenüber dem Rot des Umhangs zurück.

Die Darstellungsweise, dem Betrachter zugewandt eine Gestalt in perspektivischer Körperhaltung zu präsentieren, zeigt vergleichbar Kleinerts Selbstbildnis mit den Malutensilien (Abb. 3). Kleinert hält die Palette in der Linken einem Gegenüber entgegen; die Rechte mit dem Malstab ist zurückgenommen aufgestützt, der nach vorne gerichtete Blick auf das Gegenüber des Künstlers verrät Zuneigung. Wie bei Neumann der rote Umhang drückt ein tiefblauer Umhang über Kleinerts braunem Malerrock Würde aus.

Vorbild für Neumanns spezifische Körpersprache dürfte die Gestalt der Baukunst in der allegorischen Titelbild-Inszenierung der Publikation von Johann Sebastian Gruber „Neue und Gründliche Mathematische Friedens=Und Kriegs=Schule etc.“ (Nürnberg 1697) gewesen sein (Abb. 4) - ein Standartwerk, das auch Neumann in seiner Bibliothek besaß.13 Die Baukunst wendet sich den anderen Allegorien zu, wobei sie in der Rechten einen aufgerollten Bauplan hält, während die Linke mit einem Maßstab auf eine Schlossarchitektur im Hintergrund deutet. Kleinerts Neumann nimmt die gleiche Gestik auf wie die Baukunst bei Gruber: gedrehte Körperhaltung, Umfassen des Plans, Hinweisen auf das Schloss. Man geht nicht fehl, die Darstellung Grubers als Vorbild für Kleinerts Neumann-Bildnis zu betrachten. Das Titelbild der „Friedens- und Kriegsschule“ präsentiert die ganze Fülle an Attributen für beide Sparten des Bauwesens, darunter für die Kriegsarchitektur Kanonenrohr und Festungsplan; das Schloss im Hintergrund ist das Hauptattribut für den „Baumeister im Frieden“. Die Festung in Neumanns Plan entspricht „Eine(r) Tenaille von einem VI Eck“ bei Gruber (Abb. 5).

Kleinert überliefert ein Antlitz, das durch seine Lebendigkeit gefangen nimmt. Eine Allongeperücke à la fontâge - über der Stirn hoch auftoupiertes Haar zu beiden Seiten eines Mittelscheitels - kräuselt sich an Neumanns rechter Schulter über Kürass und Umhang. Eine hohe gewölbte Stirn mit Faltenzügen beherrscht die Ovalform des Gesichts. Wangen und Kinnpartie sind fleischig. Der enge weiße Halskragen hebt scharf das Doppelkinn hervor. Die Nase, an der Spitze leicht nach unten gezogen, ist kraftvoll ausgebildet wie die Stirn und gut zur Gesamtform des Kopfes proportioniert. Am Nasenbein zeichnet sich zwischen den Augen - die Physiognomie individuell charakterisierend - eine Vertiefung ab. Breit gezogen die straffen, energischen Lippen; hierbei ist die Oberlippe leicht aufgeworfen. Die Mundwinkel formieren sich mit den Nasen-Lippen-Furchen zum Anflug eines Lächelns. Unbestechlich die klaren, wachen Augen, von betont vortretenden Tränensäcken gestützt und von dunklen Brauen überfangen. Kleinert schildert schließlich das lebensvoll-differenzierte Gesichtskolorit mit den geröteten Wangen und - wie in seinem Selbstbildnis (Abb. 3) - mit dem grau schimmernden Bartwuchs. „Der Porträtkopf war Kleinert die Hauptsache (…); in ihm hat er so viel unmittelbares Leben des Vorbildes festzuhalten vermocht, dass wir ihm - ohne verstandesmäßige Gründe - restlos ‚glauben‘ und hier dankbar eine wirkliche Bereicherung unseres Bildes von Neumanns körperlicher Erscheinung empfangen.“14

Das Bildnis nach Marcus Friedrich Kleinert

Eine in Einzelheiten veränderte und aktualisierte Replik des Kleinert‘schen Neumann-Porträts (Abb. 9) stammt von einem unbekannten Maler, vielleicht aus den Jahren um 1735.15 Wirkt Neumann bei Kleinert nach dem Eindruck von Richard Sedlmaier„viel frischer und unmittelbarer“, so erkennt er jetzt ein „Streben nach mehr angemessener, würdevoller Haltung“; im Übrigen ist für Sedlmaier die Darstellung „in allem Motivischen, auch in der Farbe (...) vollständig abhängig von dem Kleinert‘schen Gemälde und besonders in dem Wert der Ausführung (…) weit hinter ihm zurückstehend“.16

Neumann trägt eine der fortentwickelten Mode gemäße Zopfperücke mit Locken an den Schläfen und einem auf der Schulter sichtbaren Haarteil. Dieser erinnert an den zwanglos herabhängenden Haarteil im Kleinert‘schen Bildnis, ist jedoch mit einer Schleife am Hinterkopf zusammengebunden. Die weniger auftoupierte Zopfperücke bietet gegenüber der Allongeperücke einen Vorteil: Sie beengt weniger die Gesichtszüge. Das Bild zeigt den „etwas distanzierteren Gesichtsausdruck eines Mannes“17 kurz vor den Fünfzigern. Doch gleichen die Gesichtszüge nahezu alle denen, wie Kleinert sie überliefert (Abb. 2), auch - unerlässlich für das Gelingen von Porträtähnlichkeit - in ihren Proportionen zueinander. Leicht verhärtet sind die Partien der Wangen und um das Kinn. Verändert ist der Blick: Während Neumann im Kleinert‘schen Bild den Betrachter anschaut, richtet der Baumeister jetzt seine Augen auf ein seitlich zu vermutendes Gegenüber.

Farblich herausgehobener als in der Kleinert‘schen Fassung ‚spricht‘ die Architektur, der Ausweis für Neumanns Baumeistertüchtigkeit. Kanonenrohr und Residenz, die Attribute des Ingenieurs und des Architekten, erscheinen nunmehr optisch gleichgewichtig. Verlorengegangen ist jedoch viel von der Spontanität des Körperausdrucks bei Kleinert. In die linke obere Ecke des Bildes ist das Wappen Neumanns mit dem zunehmenden Mond als dünne Sichel eingefügt (im Gemälde von Kleinert nur noch schwach zu erkennen). Der Neumond spielt auf die gelegentliche Schreibweise des Baumeisternamens „Neuman“ wie in der Inschrift des Kleinert-Gemäldes an. Mit dem Neumond ließ sich der Name Neumann „hilfsweise nur so darstellen“18.

Das unbekannte Neumann-Bildnis

Unverkennbar auf den ersten Blick: Die Wiedergabe der Neumann‘schen Physiognomie en face unter einer Allongeperücke (Abb. 1) entspricht in den Grundzügen der, die Kleinert in seinem Bildnis festgehalten hat (Abb. 2, 6); nur ist der Baumeister gealtert.

Das Porträt, ein Bruststück auf eng begrenztem dunklem Grund, frappiert ebenfalls durch seine lebensnah-bezwingende Malart. Auf gleiche Weise wie bei Kleinert lebt das Antlitz aus der modellierenden Kraft des Lichtes. Die Falten auf der hohen Stirn sind beim gealterten Neumann zahlreicher, die Augenbrauen grau geworden. Scharf holt der Maler Augen, Tränensäcke, Nase und Mund hervor. Die Augen haben noch die gleiche stechende Kraft wie die des Vierzigjährigen. Nicht nur die kleinsten anatomischen Einzelheiten wie das Rot in den Pupillen arbeitet der Maler scharf heraus. Ihm entgeht auch nicht ein Charakteristikum, das bereits auf dem Kleinert‘schen Bildnis (Abb. 2, 6) zu beobachten war: Neumanns linkes Auge schaut gerade nach vorne, das rechte leicht zur Seite. Plastisch stärker durch Licht und Schatten hervorgehoben als im Bild von 1727 erscheint die Nase mit den hochgezogenen Nasenflügeln und der Vertiefung zwischen den Augen. Betonter als bei Kleinert ist die Nasen-Lippen-Falte am rechten nur sichtbaren Nasenflügel ausgearbeitet. Wangen- und Kinnpartie sind faltiger geworden. Nicht übersehen hat der Maler die Besonderheit der Neuman‘schen Physiognomie: die leicht aufgeworfene Oberlippe. Wie auf Kleinerts Bild trägt der Baumeister eine repräsentative Allongeperücke. Dem Maler wird es Vergnügen bereitet haben, minutiös jede einzelne ihrer Locken auf die Leinwand zu bannen. Zusammen mit einem weißen Halstuch in starkem Kontrast zur schwarzblauen Jacke, die ein einzig sichtbarer goldener Ornamentknopf schmückt, fasst die Perücke das Antlitz des Ingenieurs und Architekten würdevoll ein.

Bei der Planung und Ausführung einer Architektur war Neumann erst dann zufrieden, wenn ein „vollkommenes werck“, ein „Meisterhaftes werck“ gelungen war; auch legte er Wert darauf, dass seine Bauten nicht durch „schmirkupfer“, sondern nur durch erstrangige Kupferstiche bekannt gemacht wurden.19 Entsprechende Sorgfalt und Detailtreue wird Neumann vom Schöpfer seines Altersbildnisses - wie schon von dem Maler, der ihn als Vierzigjährigen porträtierte - erwartet haben.

Wem ist Neumanns Altersbildnis zuzuschreiben?

Kein Künstler kannte die Neumann‘sche Physiognomie besser als der Maler des Bildes von 1727: Marcus Friedrich Kleinert, seit 1729 Hofmaler des Würzburger Fürstbischofs Christoph Franz von Hutten und in diesem Rang bestätigt durch von Huttens Nachfolger Friedrich Karl von Schönborn, zugleich Fürstbischof von Bamberg. Kleinert das Altersbildnis des inzwischen zum Zenit seines Schaffens aufgestiegenen Baumeisters zuzuschreiben, legen die zahlreichen Übereinstimmungen mit dem Gemälde von 1727 nahe (Abb. 6) - aber sie nicht alleine.

Kleinert malte ein weiteres Selbstbildnis; sein Verbleib ist unbekannt. Der Augsburger Schabkünstler und Kupferstichverleger Johann Jacob Haid verbreitete dieses Porträt nach Kleinerts Tod mittels eines Schabkunstblatts (Abb. 7). Ein anderes ebenfalls bisher nicht aufgefundenes Gemälde Kleinerts ist in einem Stich des Nürnberger Kupferstechers Johann Wilhelm Windter überliefert. Es zeigt den 1723 verstorbenen Juristen Georg Carl Wölcker (Abb. 8). Kleinert malte sein Porträt vor Neumanns Bildnis von 1727: „M. F. Kleinert ad vivum pinx(it)“ besagt die Inschrift des Stiches.20

Stellt man den Kopf Kleinerts aus seinem Selbstbildnis und den Kopf Wölckers mit der prachtvollen Allongeperücke dem Antlitz Neumanns aus dem Bild von 1727 (Abb. 6) und dem Antlitz der Altersdarstellung des Baumeisters (Abb. 1) zum Vergleich gegenüber, so verblüfft das Ergebnis: Das Wechselspiel von Licht und Schatten um Augen, Nase und Mund ist in allen Physiognomien bis zur Ausbildung bis ins Einzelne identisch. Daraus verdichtet sich das Argument, Neumanns bislang anonymes Altersbildnis Marcus Friedrich Kleinert zuzuschreiben.

Trifft die Zuschreibung zu, lässt sich die Entstehungszeit des Gemäldes eingrenzen: Kleinert starb in seiner Geburtsstadt Nürnberg am 14. Mai 1742; dies wäre der terminus ante quem für Neumanns Altersbildnis. 1742 war der Baumeister 55 Jahre alt. Der Datierung des Gemäldes um 1740 widerspricht nicht die lebhaft-irregulär fortgeschrittene Ausbildung der Rocaillen auf dem Schnitzrahmen; um diese Zeit war sie stilistisch bereits üblich in der Ausstattung der Würzburger Residenz.

Das Pastell-Bildnis Balthasar Neumanns

Den gealterten Neumann stellt auch ein anonymes Halbfigurenporträt als Pastell-Gemälde dar (Abb. 10). Wie Kleinerts Bild von 1727 ist es aus Familienbesitz überkommen.21 Die Entstehungszeit liegt zwischen 1741 und 1753, als Neumann von 1741 an den höchsten Rang seiner militärischen Laufbahn bekleidete: die des Obristen der Fränkischen Kreisartillerie. Im Ernennungsgesuch an das Kreiskollegium bedauerte er, bislang keine Gelegenheit gehabt zu haben, „daß in belagerungen und deren militär übungen mit meiner schuldigkeit mich hätte hervor thun können“, doch habe er in Würzburg und an anderen Orten „derley gute fortifications und artillerie-diensten gethan, also, daß dabey mich allezeit unermüdet in besseren dienst stand gesetzet.“22

Im Pastell-Bild ist das Gesicht „nun von einer gewissen Behäbigkeit gekennzeichnet“23. Neumann trägt zum Kürass und einem von einer Spitzenrüsche teilweise verdeckten Brustschild einen blauen Waffenrock „im traditionellen europäischen Uniformschnitt der Zeit“24. Brustaufschläge und der Ärmelaufschlag in Rot kontrastieren kräftig mit dem Blau. Hinzu kommen goldene Knöpfe und goldene Achselschnüre. Wie bei Kleinert sind Neumann die Attribute seines Dienstes beigegeben: Die Rechte stützt sich auf die verkleinerte Version eines Kanonenrohrs als Hinweis auf den Artilleristen; zugleich hält die Hand, durch eine Spitzenmanschette am Ärmel vornehm betont, den Zirkel des Architekten. Die Hand ist kraftvoll wie der ganze Körperbau; doch das Sensible an ihr hat auch der Pastell-Maler beobachtet.

Vergleicht man das Antlitz mit dem bei Kleinert (Abb. 2, 6), so erscheint es eher familiär, nicht ohne Anflug von Stolz. Die Pastell-Version lässt in der Binnenstruktur des Gesichts die charakteristischen Neumann‘schen Züge wiedererkennen. Das Gesicht, bei Kleinert und im Altersbild von der Allongeperücke ausschnitthaft eingefasst, ist im Pastell in seiner ganzen Voluminösität zu betrachten - unbeeinträchtigt von der knapper geformten, leichteren und in der Anschaffung billigeren Stutzperücke mit beitseits nur einer Lockenrolle. Würde Neumann die Allongeperücke des Altersbildnisses tragen, würde das Gesicht einer älteren Persönlichkeit erscheinen. Die hohe massige Stirn sowie die Proportionen zwischen Augen, Nase und Mund entsprechen der Kleinert‘schen Darstellung. Wiederzufinden sind: die lebhaft fixierenden Augen, die betonten Augenbrauen und die Augensäcke, die nach vorne gezogene Nasenspitze und die Vertiefung am Nasenansatz, ferner der Mund mit der leicht aufgeworfene Oberlippe, das füllige Doppelkinn, die differenzierte Gesichtsfärbung und nicht zuletzt das Licht, das modellierend die Charakteristika der Physiognomie hervorhebt. Der leere Hintergrund trägt dazu bei, dass dieses Bildnis „sehr persönlich, fast häuslich“25 wirkt. Neumann wird seinen Zeichnern im Baubüro oder den Auftraggebern und Werkleuten auf den Baustellen mit Stutzperücke begegnet sein, wie sie das Pastell-Gemälde überliefert.

Giovanni Battista Tiepolo malt Balthasar Neumann

Giovanni Battista Tiepolo verewigte Balthasar Neumann im grandiosen Treppenhausfresko der Würzburger Residenz. Mit seinen Söhnen Giovanni Domenico, Lorenzo und Gehilfen begann der Venezianer im Juli 1752 zu malen und beendete das Werke Ende September 1753.26 Im Fresko - die Huldigung des regierenden Fürstbischofs Carl Philipp von Greiffenclau durch die vier Erdteile unter antikem Götterhimmel - erscheint der Baumeister auf einem Kanonenrohr liegend und beschnuppert von einem Hund in der Szenerie des Erdteils Europa (Abb. 11).

Dem Freskogemälde geht eine Rötelstudie vorauf - zweifellos nach dem Leben des Artilleristen und Architekten skizziert (Abb. 13). Einzelheiten bleiben im Ungefähren. Jedoch sind bereits Charakteristika erfasst, die bekannt sind aus den Bildnissen Kleinerts, des Pastell-Malers und aus dem Altersbildnis. Der Kopf mit der Stutzperücke des inzwischen 65- oder schon 66-Jährigen von korpulenter Statur zeigt unverkennbar Merkmale von Porträtähnlichkeit: die für Neumann individuellen Proportionen zwischen Augen, Nase und Mund sowie die aufgeworfene Oberlippe. In der Skizze ist noch nicht das Kanonenrohr als Attribut des Artilleristen zu sehen.

Neumanns Liegehaltung ähnelt der einer Giebelskulptur, zum Beispiel der des Mars im Projekt des französischen Architekten Germain Boffrand für die Würzburger Residenz27 (Abb. 12). Die Haltung des Liegenden bleibt im Lot durch die Linke, die Neumann in die Seite stützt, und durch sein erhobenes Haupt. Mit dem Uniformrock des Baumeisters und seiner Hose, beides in Violett, kontrastiert das Blau einer Schärpe und der Ärmelbordüren. Das Blau nimmt der Mantel Neumanns auf, der über den rückwärtigen Teil des Kanonenrohrs ausgebreitet ist. „Schnur-Spangen und Hefft“28aus Silberfäden steigern den Uniformrock ins Prunkende und heben den Dargestellten heraus aus der Schar der meisten übrigen Gestalten in der Europa-Szenerie. Tiepolo kleidet Neumann vermutlich dieses Effekts wegen nicht in die eigentlich zu erwartenden Obristen-Kluft, wie sie das Pastell-Bild (Abb. 10) zeigt, sondern der Artillerist und Architekt der Residenz trägt nach den Erkenntnissen von Arno Störkel die Livree einer besonders fantastisch gekleideten Gruppe von Hofpersonal: die Livree eines hochfürstlich-würzburgischen Heiducken.29 Dazu gehört die blaue Schärpe. Kuriosester Teil der Heiduckentracht ist - unter Neumanns rechtem Arm zu sehen - die exotisch geformte Filz-Schnabel-Kappe mit dem weiß(silber)verbrämten Flügel, mit den monströsen Straußenfedern und mit der Bandrosette in den Farben Weiß, Blau, Schwarz und Orange (Gelb) aus dem Wappen des regierenden Fürstbischofs Carl Philipp von Greifenclau (Abb. 11, 16). Diese Farben kehren wieder in der breiten Bordüre von Neumanns Mantel. Tiepolo wird es gereizt haben, die auch in seinen Augen wunderliche Filz-Schnabel-Kappe der Heiduken in verschiedensten Ansichten zu skizzieren30, damit er sie formgetreu ins Fresko einbringen konnte. Fürstbischof Carl Philipp von Greiffenklau - sein Bildnis malte Tiepolo ebenfalls in der Europa-Szenerie - hatte „bei seiner Consecration die alte Hoflivree und violette Farbe wieder eingeführt“31. Tiepolo war „von der vielfältigen, doch sorgsam ausgewogenen Farbenpracht der Livreen und Hofuniformen am Hof seines Auftraggebers so begeistert, dass er sie als eine dekorative Bereicherung wie inhaltlich repräsentativ für die Darstellung der Umgebung des Bischofs ansah.“32 In der Rötelzeichnung (Abb. 13) ist skizzenhaft die prunkvolle Uniform Neumanns schon zu erkennen, ebenso die Filz-Schnabel-Kappe eines Heidecken. Auf einem anderen Studienblatt in gleicher Zeichentechnik (Abb. 14) geht es detaillierter um die Form der Schnur-Spangen und des Bandeliers um Neumanns Schulter.34 Am ausgeführten Bandelier fällt die Befestigungsvorrichtung für den Heiduckensäbel auf (Abb. 11). In der Rötelzeichnung (Abb. 13) hat Tiepolo den Säbel skizziert, jedoch vielleicht aus kompositorischen Gründen nicht ins Gemälde übernommen.

Mit den Silberborten auf der Uniform schließen sich die silbernen Schnur-Spangen, die in Quasten enden, zu betörender Wirkung zusammen. Zugleich sind die Schnur-Spangen Bedeutungsträger: Mit einem Band umschlungen stellen sie Rutenbündel dar, dem Hauptelement der Liktorenbündel oder Fasces der römischen Antike - Amtszeichen der Konsuln und der hohen Magistrate. In der Folgezeit wurde den Fasces eine Fülle an Bedeutungen34zugemessen, darunter die als Symbol für obrigkeitliche Würde und Gewalt sowie für unsterblichen Ruhm. Auch zeichnen sie den Kriegsgott Mars wie auf Boffrands Fassade des Schlossprojekts für Würzburg aus (Abb. 12). Des Weiteren sind sie Sinnbilder für Kriegskunst, militärische Siege und/oder für gerechtes Regiment.

Die Hand Neumanns ist in der Zeichnung (Abb. 13) noch rundlich geformt wie im Pastell (Abb. 10). Im Gewölbebild führte Tiepolo sie empfindsam schlankgliedrig aus (Abb. 16). Neumanns Antlitz erscheint auffallend jünger als in der Zeichnung. Tiepolo wollte offensichtlich der Nachwelt das Bild des Baumeisters - idealisiert - im Zustand seiner besten Schaffensjahre hinterlassen. Vergleicht man Tiepolos Neumann-Porträt mit dem Altersbildnis (Abb. 1), lässt sich schwerlich spontan erkennen, dass beide ein und dieselbe Persönlichkeit meinen; am ehesten kommt Neumanns Kopf der Rötelzeichnung (Abb. 13) dem des Pastell-Porträts (Abb. 10) näher. Gleichwohl hat Tiepolo charakteristische Ähnlichkeitsmerkmale wie die Proportionen von Augen, Nase und Mund mit der aufgeworfenen Oberlippe beobachtet und ins gemalte Bildnis aufgenommen.

In einer Ölskizze Tiepolos zum Treppenhausgemälde lagert im Erdteil Europa ein junger Mann von kräftiger Statur, bei ihm Kanonenrohr und Fahne.35 Die Idee, anstatt des jungen Mannes Balthasar Neumann erscheinen zu lassen, ist noch zu Lebzeiten des Baumeisters geboren. Vom 29. Juli 1752 datiert der Vertrag zum Deckengemälde mit Tiepolo. Er dürft bald darauf mit seinen Mitarbeitern die Malarbeiten begonnen haben. Bei Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten am Deckenfresko um die Jahrtausendwende konnten stattliche 219 sogenannte Tagwerke (Giornate) festgestellt werden36: Partien des feuchten Malputzes, die an einem Tag mit der Kelle aufgetragen, sogleich wegen des Abbindungsprozesses von Putz und Farben bemalt werden mussten.37 Danach konnte ein angrenzendes Tagwerk für die Fortsetzung des Malvorgangs angelegt werden.

Die Tagwerke der Europa-Szenerie waren am frühesten von allen Erdteil-Szenerien fertiggestellt.38 Aus der zeichnerischen Dokumentation der Tagwerke39 geht hervor: Unter den zuletzt ausgeführten Malereiabschnitten der Europa-Szenerie mit ihren 45 Tagwerken führte Tiepolo den Kopf Neumanns zusammen mit dem rechts angrenzenden Erdstreifen (Abb. 11, 16) als ein Tagwerk (Tagwerk 31) aus; alles Übrige der Gestalt Neumanns und die Hundeschnauze folgten an einem anderen Tag (Tagwerk 33).

Aufgrund dieses Befundes zur zeitlichen Abfolge des Malvorgangs ist die Vorstellung möglich: Der 66jährige an todbringender „Leibssschwachheit“ schmerzvoll leidende Balthasar Neumann konnte 1752/1753 noch sein Bild als Persönlichkeit auf dem Höhepunkt seiner Schaffenkraft betrachten. Er starb am 19. August 175340 - vier Wochen vor Vollendung der gesamten Gewölbemalerei.

In Tiepolos Meisterwerk blickt Neumann „mit der selbstverständlichen Gelassenheit des geborenen Baumeisters“ auf seine Schöpfung, „das riesige Gewölbe des Würzburger Treppenhauses; nicht nur das Ringen, sondern die Sicherheit instinktiven Wissens, nicht nur das Problematische, sondern die stille Heiterkeit des souveränen Könnens machen sein Wesen aus.“41 Kein Zweifel, „dass der Maler um die künstlerische Bedeutung der Architektur wusste, und Neumann wird nicht weniger genau gewusst haben, dass mit Tiepolo der erste unter den Freskomalern Europas berufen worden war, um den Bau der Residenz mit seinem Gemälde zu krönen.“42

Der Kopf des Ingenieurs und Architekten auf dem Kanonenrohr, der große Baugedanken entwickelte, die empfindsame Hand, die sie in Pläne übertrug (Abb. 16): In Kopf und Hand offenbarte sich dem Genius Giovanni Battista Tiepolo der Genius Balthasar Neumann.

Anmerkungen

* Überarbeitete und ergänzte Fassung des gleichnamigen Beitrags in INSITU, Zeitschrift für Architekturgeschichte, 12. Jahrgang 2020, Heft 1, S. 93-102.

1 Max H. von Freeden: Balthasar Neumann. Leben und Werk. 3. veränderte Aufl. München, Berlin 1981. - Hans Reuther: Balthasar Neumann. Der mainfränkische Barockbaumeister. München 1983. - Bernhard Schütz: Balthasar Neumann. Freiburg, Basel, Wien 1986. - Wilfried Hansmann: Balthasar Neumann. Leben und Werk, 2. Aufl. Köln 2003 (Taschenbuchausgabe. 3. Aufl. Köln 1988) - Katalog: Aus Balthasar Neumanns Baubüro. Pläne der Sammlung Eckert zu Bauten des großen Barockarchitekten. Sonderausstellung aus Anlass der 300. Wiederkehr des Geburtstages Balthasar Neumanns. Mainfränkisches Museum Würzburg 16. Mai bis 19. Juli 1987. Würzburg o. J. (1987). - Sammlung Eckert. Plansammlung aus dem Nachlass Balthasar Neumanns im Mainfränkischen Museum Würzburg. Unter Mitverwendung der Vorarbeiten von Joachim Hotz † bearbeitet von Hanswernfried Muth/Elisabeth Sperzel/Hans-Peter Trenschel. Würzburg 1987. - Thomas Korth/Joachim Poeschke (Hg.): Balthasar Neumann. Kunstgeschichtliche Beiträge zum Jubiläumsjahr 1987. München 1987; darin Wilfried Hansmann: Balthasar Neumann als Künstler - Bedingungen seines Wirkens, Arbeitsweise, Auffassung vom Werk, S. 172-183.

2 Katalog: Van Ham Kunstauktionen. Alte Kunst. 231. Auktion 1. April bis 3. April 2004. Köln 2004, S. 123, Nr. 1180 mit Abb. - Einlieferer war ein Berliner Kunsthändler.

3 Das Gemälde tauchte 1857 in der Auktion der Sammlung Dr. Horn, Oberpflegeamtsleiter des Würzburger Juliusspitals, auf. Im Versteigerungskatalog findet sich der Hinweis, der größte Teil dieser Sammlung stamme von dem Würzburger Major David Hartmann; dessen Sammlung wurde 1834 versteigert. In ihrem Versteigerungskatalog ist vermerkt, die Sammlung habe Hartmanns Vater, der Würzburger Hofkammerdirektor Michael von Hartmann, zusammengetragen. Er war mit Balthasar Neumanns Tochter Apollonia verheiratet; ein großer Teil der Sammlung - so der Katalog - stamme aus der Gemäldesammlung seines Schwiegervaters Balthasar Neumann. Vermutlich erwarb der Obermedizinalrat Dr. Bernhard Gudden - durch den Tod König Ludwigs II. von Bayern bekannt geworden und mit ihm im Starnberger See ertrunken - das Kleinert‘sche Gemälde aus der Sammlung Horn; jedenfalls verbrachte Gudden es ins von Neumann miterrichtete Schloss Werneck, in dem Gudden eine Irrenanstalt begründet hatte. „Beachtet und geschätzt nur von dem Oberarzt der Wernecker Anstalt, Herrn Dr. Weyermann, einem kenntnisreichen Freunde der fränkischen Kunstgeschichte“, gab er dem Konservator am Kunsthistorischen Museum der Universität Würzburg Richard Sedlmaier die Erlaubnis, das Gemälde zu fotografieren für seine Veröffentlichung: Ein neues Bildnis Balthasar Neumanns. In: Frankenland. Zeitschrift für fränkische Geschichte, Kunst und Kultur, Band 8, 1921, S. 48-52; das Zitat S. 50, Anm. 1. Mit Schloss Werneck gelangte das Bildnis in den Besitz des Bezirks Unterfranken. Von dort übernahm es der Bezirkstagspräsident und spätere Würzburger Oberbürgermeister Theo Memmel für sein Arbeitszimmer im Würzburger Rathaus. Vier Tage vor dem Großbrand der durch Bomben zu über 80 Prozent zerstörten Stadt am 16. März 1945 holte der spätere Direktor des Mainfränkischen Museum zu Würzburg, Prof. Dr. Max H. von Freeden, das Bild aus dem Rathaus heraus und gab es in die Obhut einer Bank. Dort überstand es das Inferno. 1947 wurde das Porträt dem Mainfränkisches Museum - heute Museum von Franken - als Dauerleihgabe überlassen: Max H. von Freeden: Balthasar Neumann-Bildnisse. In: Altfränkische Bilder und Wappenkalender, 86. Jahrgang. Würzburg 1987, S. 4-5. - Hans-Peter Trenschel: Porträt Balthasar Neumann. In: Max H. von Freeden (Hg.): Aus den Schätzen des Mainfränkischen Museums Würzburg. 3. Aufl. Würzburg 1976, Nr. 41. - Hanswernfried Muth: Porträt Balthasar Neumann. In: Katalog Neumann (wie Anm. 1) S. 96-97, Nr. 4, dazu Abb. S. 19.

4 von Freeden, Neumann-Bildnisse (wie Anm. 3) S. 5.

5 Max H. von Freeden: Balthasar Neumanns Gesuche an den fränkischen Kreistag. In: Festschrift für Karl Lohmeyer. Saarbrücken 1954, S. 67.

6 Ulrich Schütte: Architekt und Ingenieur. In: Architekt und Ingenieur. Baumeister in Krieg und Frieden. Ausstellungskatalog der Herzog August Bibliothek. Wolfenbüttel 1984, S. 18-31.

7 von Freeden (wie Anm. 5).

8 Karl Lohmeyer: Die Briefe Balthasar Neumanns an Friedrich Karl von Schönborn. Fürstbischof von Bamberg und Würzburg und Dokumente aus den ersten Baujahren der Würzburger Residenz. Saarbrücken, Berlin, Leipzig, Stuttgart 1921, S. 8.

9 Lohmeyer (wie Anm. 8) S. 49.

10 Wolfgang Herrmann: Neue Entwürfe zur Würzburger Residenz. In: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen Jg.49, 1928, S. 126.

11 Sedlmaier (wie Anm. 3) S. 51.

12 Ebenda.

13 Das Werk ist aufgeführt unter der Nummer 868, S. 55, im Versteigerungskatalog „Verzeichniss der Bücher, Kupferstiche und Handzeichnungen aus der Verlassenschaft des (…) Herrn Artillerie-Obersten und berühmten Architekten Franz Michael Ignaz von Neumann etc.“ Würzburg 1804. - Nach dem Tod von Neumanns Sohn Franz Michael Ignaz 1785 ging die Hinterlassenschaft über an dessen jüngeren Bruder Valentin Franz Stanislaus, Vizekanzler der Universität Würzburg und Geistlicher Rat; er verstarb 1803. Gemäß seinem Testament erfolgte 1804 die Versteigerung des riesigen Bestandes. Balthasar Neumann, der alle wichtige Literatur für den Ingenieur und den Architekten sowie für viele andere Wissensgebiete besaß, hatte damit begonnen, den Bestand zusammenzutragen. Das Werk von Gruber erlebte zwischen 1797 und 1705 vier Editionen. Neumanns Exemplar stammte von 1705.

14 Sedlmaier (wie Anm. 3) S. 52. - Vor der Publikation des Kleinert-Gemälde durch Richard Sedlmaier waren nur die Replik (Abb. 9) und Tiepolos Gemälde (Abb. 11, 16) bekannt.

15 Im Katalog (wie Anm. 1) die Bildlegende S. 23 mit der Datierung „um 1740“. - Richard Sedlmaier merkt 1921 an, das Bild werde in der Sammlung des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg verwahrt: Sedlmaier (wie Anm. 3) S. 48. Es befindet sich heute ebenfalls im Museum für Franken in Würzburg.

16 Sedlmaier (wie Anm. 3) S. 51.

17 von Freeden, Neumann-Bildnisse (wie Anm. 3) S. 6. - Zu den verschiedenen Perücken, die Neumann in seinen Bildnissen trägt, Jochen Luckhardt/Regine Marth (Hg): Lockenpracht und Herrschermacht. Perücken als Staatssymbol und modisches Accessoire. Katalog der Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig, 10. Mai bis 30. Juli 2006. Leipzig 2006.

18 von Freeden, Neumann-Bildnisse (wie Anm. 3) S. 6.

19 Lohmeyer (wie Anm. 8) S. 134.

20 Die wenigen bekannten Fakten über Kleinert und sein Werk bei Joachim Heinrich Jäck: Leben und Werke der Künstler Bambergs, Teil 2. Bamberg 1825, S. 14-15. - Ri(chard) S(edlmaier): Kleinert, Markus Friedrich. In: Hans Vollmer (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Band 20. Leipzig 1927, S. 456-457. - Die Gesamtansicht des Schabkunstblattes von Haid mit Kleinerts Selbstbildnis ist unter https//www.graphikportal.org (Stand 2020) aufzurufen; ebenso die Windter‘sche Gesamtansicht des Georg Carl Wölcker - beide jeweils nach Namensnennung.

21 Das Gemälde gelangte in den Besitz der Familie Papius, „mit der Balthasar Neumann durch seine Frau und später auch durch eine Schwiegertochter, die Frau seines Sohnes Franz Ignaz Michael, mannigfach verschwägert war“: von Freeden, Neumann-Bildnisse (wie Anm. 3) S. 7. - Hanswernfried Muth: Porträt Balthasar Neumann. In: Katalog Neumann (wie Anm. 1) S. 98, Nr. 5, dazu Abb. S. 25.

22 von Freeden (wie Anm. 5) S. 68.

23 von Freeden, Neumann-Bildnisse (wie Anm. 3) S. 7.

24 Arno Störkel: Der Mann mit dem Pferd und Neumann auf dem Kanonenrohr. Eine Studie zur Identifikation zweier Personen in Tiepolos Würzburger Treppenhaus. In: Mainfränkisches Jb. für Geschichte und Kunst, Band 49. Baunach 1997, S. 144.

25 von Freeden, Neumann-Bildnisse (wie Anm. 3) S. 7.

26 Zur Entstehungsgeschichte zuletzt Helmberger. In: Werner Helmberger/Matthias Staschull: Tiepolos Welt. Das Deckenfresko im Treppenhaus der Residenz Würzburg. 2. Aufl. 2010 München, S. 25 - 26.

27 Germain Boffrand: Livre d‘Architecture. Paris 1745, Tafel 57. - Das Werk war in der Neumann‘schen Bibliothek vorhanden: „Verzeichniss“ (wie Anm. 13) S. 33, Nr. 591. - Nicht abwegig ist die Bemerkung von Störkel (wie Anm. 24) S. 147: „Ganz offenbar“ habe der auf den Stufen lagernde Diogenes in Raffaels „Schule von Athen“ (Rom, Vatikan) Tiepolo „als Vorbild für seinen Neumann gedient.“

28 Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, Hofkammerprotokolle 1749, 12.5.1749, 315; zit. nach Störkel (wie Anm. 24), S. 150. - „Hefft“=Schlingen.

29 Störkel (wie Anm. 24) S. 151. - Zur Aufgabe der Heiducken gehörte, die Kutsche des Landesherrn bei „Parade-Fahrten“ zu Fuß zu flankieren - „6 und 6 in einem Gliede in ihren Habitern“ (Julius Bernhard von Rohr: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft Der großen Herren etc. Neue Auflage Berlin 1733, S. 616); ferner war es Aufgabe der Heiducken, die Schläge der Karosse zu öffnen und zu schließen.

30 Abbildungen bei Störkel (wie Anm. 24) S. 148, Abb. 4; bei Peter O. Krückmann (Hg.): Der Himmel auf Erden. Tiepolo in Würzburg, Band 1. Katalog der Ausstellung in der Würzburger Residenz, 15. Februar bis 19. Mai 1996. München 1996, S. 119, Abb. 50; bei Helmberger/Staschull (wie Anm. 26) S. 63. - In den Hofkammerprotokollen 1749 (wie Anm. 28) 25.5.1749, 355, ist vermerkt, „daß für sechs Heyducken hohe Federbüsche von bleumourant-schwartzen, rothen und orangefärbigen grossen Straus federn (…) bestellet werden sollten“ - auf Wunsch des Fürstbischofs; zit. nach Störkel (wie Anm. 24) S.149. Auch ließ der Fürstbischof „einige modell von silbernen beschlagen für die Heyducken“ in Augsburg ordern: Hofkammerprotokolle 1749 (wie Anm. 28) 12.5.1749, 316; zit. nach Störkel (wie Anm. 24) S. 150.

31 J. A. Geisler: Würzburgische Chronik, Bayerisches Staatsarchiv Würzburg, H.V. Ms f 205, fol. 121r; zit. nach Störkel (wie Anm. 24) S. 156, Anm. 54.

32 Störkel (wie Anm. 24) S. 151.

33 Florian Fiedler: Balthasar Neumanns Uniform. In: Krückmann (wie Anm. 30, Band 1) S. 117- 118.

34 Antje Middeldorf-Kosegarten: Fasces. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Band 7. München 1981, Sp. 461-496.

35 Krückmann (wie Anm. 30) Abb. S. 99.; Helmberger/Staschull (wie Anm. 26) Abb. S. 22.

36 Matthias Staschull: Das Gewölbefresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz. Maltechnische Untersuchung. In: Peter O. Krückmann (wie Anm. 30, Band 2 ) S. 131-141 mit dem Tagwerkplan für die Erdteil-Szenerie, Abb. 6. - Matthias Staschull: Wie malte Tiepolo? Vorbereitung und maltechnische Ausführung des Freskos. In: Helmberger/Staschull (wie Anm. 26) S. 95-149; eine farbige Abb. des Tagwerkplans für das gesamte Gemälde S. 98/99.

37 Staschull, Gewölbefresko (wie Anm. 36) S. 128-131.

38 Staschull, Gewölbefresko (wie Anm. 36) S. 132.

39 Wie Anm. 36.

40 Am 25. August 1753 schrieb Maria Eva Neumann, die Witwe des Baumeisters, an den Abt des Klosters Neresheim „gehorsamst“, ihr innigst geliebter Ehemann sei „den 19ten dieses [Monats] früh zwischen 7. und 8. uhr (…) nach Christ-Heldenmuthigst ausgestandener Langwuhriger Leibs-schwachheit (:so Von einer (…) erhärtung an dem unteren Magenschlund [vermutlich ein nach langem Verfall und Siechtum zum Tode führendes Krebsgeschwür im Oberbauch] entstanden:) mit allen einem sterbenden verordneten heiligen Sacramenten frühzeitig und wiederhohlter Versehen [Letzte Ölung] in dem 67ten Jahr seines Alters aus diesem Zerganglichen zuversichtlich in das ewige glückseelige leben“ abberufen worden: Briefe und Aktenstücke über die Erbauung der Stiftskirche zu Neresheim durch Balthasar Neumann. Mitgeteilt durch Cornelius Will. In: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg, Band 43. Würzburg 1901, S. 18-19. - Tilman Sauerbruch/Georg Satzinger, Balthasar Neumann und seine Krankheit. In: Deutsche Medizinische Wochenschau 2019;144, S. 1818-1824.

41 von Freeden (wie Anm. 1) S. 26.

42 Frank Büttner/Wolf-Christian von der Mülbe: Giovanni Battista Tiepolo. Die Fresken in der Residenz zu Würzburg. Würzburg 1980, S. 145.

Abbildungen

Abb. 1: Deutscher Meister (Marcus Friedrich Kleinert zugeschrieben): Balthasar Neumann in fortgeschrittenem Alter, Öl auf Leinwand, doubliert, 40 x 30 cm (ohne den Rahmen mit Rokoko-Ornamentik), um 1740. Meersburg, Neues Schloss Meersburg

Abb. 2: Marcus Friedrich Kleinert: Der Artillerieobrist, Ingenieur und Architekt Balthasar Neumann als Vierzigjähriger, Öl auf Leinwand, 94 x 76 cm, 1727. Würzburg, Museum für Franken

Abb. 3: Marcus Friedrich Kleinert: Selbstbildnis, Öl auf Leinwand, 109,5 x 84,5 cm, um 1720. Im Kunsthandel 2012, Verbleib unbekannt, © 28.07.2020 Alamy

Abb. 4: Johann Sebastian Gruber: Neue und Gründliche Mathematische Friedens=Und Kriegs=Schule etc., Frontispiz. Nürnberg 1697

Abb. 5: „Eine Tenaille von einem VI Eck.“ (wie Abb. 4)

Abb. 6: Balthasar Neumann, Ausschnitt aus Abb. 2

Abb. 7: Marcus Friedrich Kleinert: Selbstbildnis. Ausschnitt aus dem Schabkunstblatt von Johann Jacob Haid, 1742 oder später.

Abb. 8: Marcus Friedrich Kleinert: Bildnis des Juristen Georg Carl Wölcker (1660-1723). Ausschnitt aus dem Kupferstich von Peter Wilhelm Windter, 1723 oder später

Abb. 9: Unbekannter Maler: Balthasar Neumann, Replik des Gemäldes von Marcus Friedrich Kleinert Abb. 2, Öl auf Leinwand, 53 x 65 cm, um 1735. Würzburg, Museum für Franken

Abb. 10: Unbekannter Maler: Balthasar Neumann als Obrist der Fränkischen Kreisartillerie, Pastell, 70 x 52 cm, um 1745/50. Privatbesitz

Abb. 11: Giovanni Battista Tiepolo: Balthasar Neumann im Treppenhausfresko der Würzburger Residenz von 1752/1753, © Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München

Abb. 12: Germain Boffrand: Fassadenentwurf für die Würzburger Residenz, Kupferstich aus „Livre d‘Architecture“, Paris 1745 (Ausschnitt)

Abb. 13: Giovanni Battista Tiepolo: Studie zur Gestalt Balthasar Neumanns im Würzburger Treppenhaus, Rötel, weiß gehöht, auf blauem Papier, 16,5 x 28,7 cm, 1752/53. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, © bpk-Bildagentur, Berlin

Abb. 14: Giovanni Battista Tiepolo: Studie zur Uniform Balthasar Neumanns im Würzburger Treppenhaus, Rötel auf blauem Papier, 15,4 x 23,8 c m, 1752/53. Venedig, Museo Correr

Abb. 15: Die Europa-Szenerie mit Eintragung der Tagwerksgrenzen; die Nummern 31 und 33 betreffen die Gestalt Balthasar Neumanns

Abb. 16: Balthasar Neumann, Ausschnitt aus Abb. 11

Abbildungsnachweis

Abb. 1: (Bernhard Wrobel) Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg

Abb. 2, 6, 7, 8: Archiv und Grafiksammlung des Verfassers

Abb. 3: alamy stock photo MMNJCY, Milton Park (Oxfordshire)

Abb. 4: Herzog August Bibliothek. Wolfenbüttel

Abb. 5: Badische Landesbibliothek, Karlruhe

Abb. 9: aus Katalog Baubüro (wie Anm. 1, Abb. S. 23)

Abb. 11, 16: (Achim Bunz) Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München

Abb. 12: Universitäts- und Landesbibliothek, Bonn

Abb. 13: (Volker-H. Schneider) bpk-Bildagentur, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz zu Berlin

Abb. 14: aus Krückmann, Tiepolo (wie Anm. 30, Katalog Abb. 49)

Abb. 15: aus Helmberger/Stashull, Tiepolos Welt (wie Anm. 26, Abb. S. 99)

Dank

Frau Christina Ebel, Leiterin der Schlossverwaltung Bruchsal, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, stimmte der Publikation des Meersburger Neumann-Porträts zu.

Herr Markus Eisenbeis, Geschäftsführender Gesellschafter des Kunstauktionshauses Van Ham in Köln, übermittelte Hinweise zur Versteigerung dieses Gemäldes.

Herr Dr. Klaus Hanisch †, Bornheim-Merten, gab als Mediziner Rat zu Neumanns Erkrankung.

Frau Dr. Carla Mueller, Oberkonservatorin, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg teilte Einzelheiten über das Gemälde im Neuen Schloss Meersburg mit und veranlasste fotografische Neuaufnahmen.

Allen ein herzliches Danke!

Wilfried Hansmann